Donnerstag, 30. August 2007

Die Stärke sympathischer Bescheidenheit (Lk 14, 1. 7-14)

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr!“ – sie kennen sicher dieses geflügelte Wort. Die Sache dahinter ist im Blick auf das Menschlich-Allzumenschliche schon ein bisschen zwiespältig. Auf der einen Seite empfinden wir bescheidene Menschen als äußerst angenehme Zeitgenossen in ihrer zurückhaltenden Art, die zugleich aufmerksam und zuvorkommend ist; Menschen, die mit wenigem zufrieden sind und sich nicht mit Protz und Aufgeblasenheit präsentieren müssen. Auf der anderen Seite verrät das geflügelte Wort, dass viele für sich ganz bewusst nicht in Anspruch nehmen, bescheiden sein zu wollen und so für andere auch solch angenehme Zeitgenossen zu sein. Statt Zurückhaltung Ansprüche, statt Aufmerksamkeit Geltungsdrang, statt Großmut Übermut.
Wenn Bescheidenheit echt ist, ist sie ein Ausdruck von Selbstbewusstsein. Von sich selber absehen können und anderen getrost den Vortritt lassen zu können setzt festes Stehen in sich selbst voraus, auch wenn es oft oberflächlich von außen gesehen als Schwäche ausgelegt wird. Dagegen nicht bescheiden sein zu können, für sich selbst immer das Beste und Höchste zu beanspruchen, verrät übersteigerte Angst, ohne all dieses zu kurz zu kommen, Geltung einzubüßen, vor anderen nicht bestehen zu können. So verrät ein solches Gebaren Minderwertigkeitskomplexe, auch wenn es äußerlich dazu verführt, es als vermeintliche Stärke zu missdeuten, die anziehend und nachahmenswert erscheint.
In diesem Spiegel mag man das Evangelium lesen. Da suchen sich bei einem Festmahl Gäste von sich aus die Ehrenplätze aus und lassen sich dort nieder. Ob sie auch dahingehören, heißt das nicht. Ein Fall von Selbstüberschätzung, die peinlich endet, wenn man aufgefordert wird, den Platz für den zu räumen, dem er wirklich gebührt. Was ziemlich dreist beginnt, endet erniedrigend.
So lehrt Jesus die Gäste, dass man Ehre sich nicht nehmen kann, sie wird einem zuteil. Bescheidenheit kann warten bis sie ihr zuteil wird. Und Bescheidenheit weiß, dass Ehre einem dann zuteil wird, wenn man die eigene Ehre nicht sucht, sie vielmehr anderen schenkt.
Wir können die Brücke schlagen hin in den Abendmahlssaal, in dem der Meister Jesus seinen Jüngern in der Demutsgeste der Fußwaschung anschaulich macht, dass er unter ihnen ist wie einer, der dient (Lk 22, 27), der für uns den letzten Platz einnimmt. Und „darum hat ihn Gott über alle erhöht!“ (Phil 2,9)

Mittwoch, 22. August 2007

Barmherziges Ernstnehmen und ernst genommene Barmherzigkeit (Lk 13, 22-30)

„Katholiken haben es gut. Sie können sündigen, wie sie wollen und gehen anschließend einfach beichten und dann können sie munter weitersündigen!“ – Eine solche Haltung ist vornehmlich zum Aufhänger für klischeehafte Katholikenwitze mutiert. Zudem nutzt leider heutzutage kaum noch ein Katholik die Möglichkeit der Beichte. Wenn man jedoch ernsthaft von der All-Barmherzigkeit Gottes spricht, von seiner grenzenlosen Bereitschaft zur Vergebung und seinem umfassenden Heilswillen, mag eine solche Kommentierung durchaus nachvollziehbar erscheinen. Entsprechend ernsthaft formuliert lautet die Anfrage: Was soll ich mich in diesem Leben so anstrengen und einschränken, wenn am Ende doch alle das Heil empfangen?
Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, ob es heutiger „political correctness“ entspricht, es auszusprechen, oder nicht: Jesus stellt diese Selbstverständlichkeit, nach halbherzig gelebter Christlichkeit am Ende wohl schon noch irgendwie sich durch Gottes Barmherzigkeit ins Heil durchzuwursteln, deutlich in Frage. Der Weg zum Heil ist eine enge Tür, die der Herr auch zusperrt und manchen nicht durchlässt. Ja, am Ende will ER jene nicht einmal mehr kennen, die meinen, trotz getanem Unrechts doch ein Recht auf Durchlass zu haben. An den Worten Jesu (V. 25-27) gibt es nichts herumzudeuteln. Ja noch deutlicher: Alle anderen kommen rein, du jedoch nicht! – so mag man das Wort von denen aus allen vier Himmelsrichtungen (V.29) umschreiben können, das Jesus seinen Zuhörern zuruft.
Wir sagen von Gott, dass er nicht oberflächlich auf den Menschen schaut, sondern die Herzen der Menschen erforscht (vgl. z.B. Ps 139; Jes 29,13; Apg 15,8; Röm 8,27). Das heißt natürlich auf der einen Seite, dass er schon in einem der hintersten Herzkammern irgendwo den Hauch einer guten Absicht aufspüren wird, die er zu würdigen weiß. Das heißt auf der anderen Seite aber auch, dass er das Fehlen jeglicher Ernsthaftigkeit in der Nachfolge genauso spürt. Barmherzigkeit heißt, nach Jesus, keineswegs, dass ein im letzten schwächlicher Charakter sich einfach so veräppeln lässt. Gott in seiner unbegreiflichen Liebe nicht ernst zu nehmen war schon immer eine der großen Versuchungen des Menschen. Aber da wir ja auch nicht damit leben können, wenn wir nicht ernst genommen werden, ist das auch wieder ein feiner Zug Gottes, wenn wir so darauf bauen können, dass ER uns ernst nimmt.

Dienstag, 21. August 2007

Sehend gemacht, um Betriebsblindheit zu heilen (Joh 9, 1-41)

Ich sehe was, was du nicht siehst…! – ein Kinderspiel. Einer nimmt etwas in den Blick, der andere soll es durch geschicktes Erfragen erraten. Beide Spieler sehen dasselbe, doch ihre Aufmerksamkeit ist auf Unterschiedliches gerichtet in einer komplexen Wirklichkeit. Das Spiel lehrt uns, sehen zu lernen, was dem anderen im Augenblick wichtig ist. Unsere Aufmerksamkeit soll sich auf das richten, was den anderen interessiert.
Den Nächsten in den Blick zu nehmen – ein Kinderspiel? Beileibe nicht! Das Geschehen des Evangeliums zeigt uns, dass es keine selbstverständliche Fähigkeit ist. Wir müssen es von Jesus lernen.
Ein Blinder wird dank Jesus sehend. Jesus hat dessen Leiden wahrgenommen und ihn geheilt. Eine Sensation, die höchste Aufmerksamkeit erregt. Doch in welche Richtung? Die Frage, warum er blind geboren wurde, oder wer gesündigt hat, dass er blind ist, wird im Vorfeld von den Jüngern erörtert (V.2). Ist der Geheilte überhaupt der Blinde, den doch jeder kannte? So fragen sich die Nachbarn verwundert, und: Wer hat das Wunder vollbracht? (V.8-10). Und die Pharisäer streiten sich: Durfte die Heilung am Sabbat vollzogen werden und ist der Heiler Jesus nicht deswegen vielmehr ein Sünder? (V.13ff)
Merkwürdige Fragen – niemand scheint in der Lage zu sein, das Wunder, das geschehen ist, als solches wahrzunehmen. Keiner sieht den vormals Kranken in der glücklichen Wendung seines Schicksals. Sogar die Familienangehörigen halten sich seltsam verschlossen (V.18-23).
Statt Freude und Erleichterung scheinen tausend Blockaden und Ablenkungen in den Menschen zu sein, die dazu führen, dass sie sich dem Geschehen nicht öffnen können. Und den vormals Blinden nimmt niemand ernst. Sogar Schimpf und Häme muss er über sich ergehen lassen (V.28), bis sie ihn am Ende aus der Synagoge sogar hinaus stoßen (V.34)
Nicht nur Kranke, jeder Mensch braucht es überlebens-notwendig, dass man ihn wahrnimmt, ihn ernst nimmt, auch in seiner Sehnsucht nach Heil und Heilung. Der Nächste, der jeder sein kann, gehört in den Mittelpunkt, und zwar ungeteilt. Was braucht er? Was kann ich für ihn tun? Was kann Jesus für ihn tun?
Jeder wird wohl erzählen können, wie man sich fühlt und was in einem vorgeht, wenn man sich übersehen fühlt, wo man alleine nicht weiter kommt, was man zur Linderung braucht und was nicht. Genauso wichtig ist es, dass der Hilfsbedürftige sich der Hilfe öffnet, die sich ihm bietet, und sie annimmt.
Ich sehe was, was du nicht siehst…! – wer am Ende zu den Sehenden gehört oder zu den Blinden, bleibt schwierig auszumachen. Bis heute. Lassen wir uns von Jesus diesen ungeteilten Blick der liebenden Aufmerksamkeit auf den Nächsten lehren. Sich der Wirklichkeit stellen ist halt keine Frage von funktionierenden Organen. Das gilt noch viel mehr für die Wirklichkeit Gottes.

Samstag, 18. August 2007

Wie Jesus in uns die Entscheidung „schürt“ (Lk 12, 49-53)

Sie kennen sicher das sprichwörtliche „Mit dem Feuer spielen“, oder die Redeweise, dass Angst, Krieg, Aggressionen, ja jedwede negativen Emotionen „geschürt“ werden, was ja auch ein Wort ist, das zum Feuer gehört. Wo Menschen „mit dem Feuer“ spielen, sei es, dass sie ganz handfest zündeln oder es im sprichwörtlichen Sinne tun, hat das in der Regel zerstörerische Konsequenzen. Sei es aus Leichtsinn oder mit voller Absicht, die Folgen sind verheerend. Wer mit dem Feuer spielt, geht bis an die Grenzen, ja überschreitet sie. Das Erleben Macht und das Ausleben von Machtgelüsten spielen hier eine wichtige Rolle, meistens gepaart mit grober Selbstüberschätzung. „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!“ – so ruft es der verzweifelte Zauberlehrling aus in Goethes berühmten, gleichnamigen Gedicht, und so mancher mit ihm, der in einer ähnlichen Patsche sitzt.
Das Evangelium – beileibe keine leichte Kost – weiß zu berichten: Auch Jesus muss zündeln, muss auf SEINE Art mit dem Feuer spielen, und das mit aller Konsequenz, die es zeitigt. ER ist gekommen, so sagt ER, „Feuer auf die Erde zu werfen!“ (V. 49), und das nicht aus Versehen, sondern ganz bewusst, ganz entschieden: „Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (ebd.) ER weiß: SEINE Lehre, SEINE Leiden, SEIN Tod am Kreuz und SEINE Auferstehung werden nicht alle Probleme dieser Welt in Harmonie auflösen. Sie fordern von jedem einzelnen Entscheidung und Konsequenz der Nachfolge. Nicht alle werden sich dem stellen. Nicht alle werden es fassen. Der Riss wird mitten durch Familien und Freundschaften gehen. Die Folge ist nicht Frieden sondern Spaltung.
Das Zündeln Jesu ist aber keines um der Zerstörung willen oder gar eines, das aus Selbstüberschätzung heraus geschieht. ER, der Sohn Gottes, geht den Weg des Heils, den der Gott, der Vater bestimmt hat. Und wir Menschen sind auf diesem Weg keine willenlosen Opfer am Wegesrand, denen das Heil aufgenötigt und übergestülpt wird. Wir haben uns vielmehr zu stellen, wo Gott uns herausfordert und nach unserer Entscheidung fragt. Wir sind gut beraten, uns in dem Feuer dieser Entscheidung zugleich dem Feuer SEINES Geistes zu öffnen, der uns dazu Kraft und Wegweisung schenkt.

Freitag, 17. August 2007

In Gottes zielsicherer Talentschmiede (Mt 25, 14-30)

Im Leben ist es wichtig, sich und einander immer wieder Rechenschaft zu geben über das eigene Tun und Lassen, will man nicht einfach nur dahin treiben. Wir haben Ziele, die wir erreichen möchten. Die meisten davon erreichen wir nicht von heute auf morgen. Vielmehr braucht deren Verwirklichung oft Zeit, Geduld und planmäßiges, bewusstes Vorgehen. Aber gerade daran mangelt es uns immer wieder. Phasenweise fehlen uns der lange Atem, der Mut zum nächsten Schritt oder die Orientierung. Und dann verlieren wir unsere Ziele aus den Augen. Oft ist das verbunden mit einer inneren Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit. Denn echte Ziele, die unsere Sehnsucht setzt, bleiben zumindest unbewusst immer präsent. Und so leiden wir an innerer Leere, wenn wir unsere Ziele vernachlässigen.
Von Jesus Christus wissen wir, dass Gott mit dieser Welt, mit ihrer Geschichte, ja mit dem Leben jedes SEINER Geschöpfe ein großes Ziel hat: das Reich Gottes. Als Christen, in der Nachfolge Jesu, machen wir uns dieses Ziel Gottes zu Eigen: die Vollendung alles Geschaffenen in der Zivilisation der Liebe, in der Gott alles in allem ist. Diesem Reich Gottes soll, nach Jesus, unsere erste Sorge gelten (vgl. Mt 6,33). Unsere Berufung ist es, durch unser Leben an der Verwirklichung dieser Vision Gottes nach Kräften mitzuwirken, die in der Menschwerdung, im Wirken, Leiden, Sterben und Auferstehen Christi angebrochen ist. Jeder hat dazu von Gott Fähigkeiten und Talente bekommen, die es gilt, für die Sache Jesu einzusetzen.
Die Vollendung dieses Reiches Gottes, die im letzten Gott selbst bewirken wird in der Wiederkunft SEINES Sohnes, steht noch aus. Wir leben in der Spannung des „Schon und Noch nicht“. In solch einer andauernden Spannung die Spannkraft nicht zu verlieren, auszuleiern wie ein altes, verbrauchtes Gummiband, ist eine Gefahr und Herausforderung zugleich. Ihr begegnen wir, indem wir uns Rechenschaft geben, immer wieder Bilanz ziehen, eine Standortbestimmung machen: Wo stehe ich wirklich im Erreichen Gottes´ oder meiner persönlichen Ziele?
Das Gleichnis zeigt uns, dass wir diese Rechenschaft nicht nur uns selbst, sondern vor Gott ablegen. Der Herr wird uns fragen, was wir aus unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten gemacht haben. ER erinnert uns daran: Wir sind nicht die Besitzer der Erde und unseres Lebens. Wir sind SEINE Sachwalter, Beauftragte, Gesandte. Auf Christus hin sind wir geschaffen (vgl. Kol 1,16). Wir vergessen, verdrängen und verleugnen schnell. Wer sich jedoch erinnert und diese Wahrheit über unser Leben ernst nimmt, wird merken, wie er zielbewusster und so erfüllter lebt.

Mittwoch, 15. August 2007

Gebenedeite Jasager (Lk 1, 26-38)

Jasager haben nicht unbedingt einen guten Ruf. Man sagt ihnen nach, sie nicken einfach nur alles ab, was Autoritäten ihnen vorsetzen und überlassen denen auch das Denken. Dabei ist weniger das JA sagen an sich ein Problem, sondern eher die Frage, wem man ein solches Vertrauen zuteil kommen lässt. Von hier aus wage ich zu sagen, dass wir Christen – Dank sei Gott – Jasager sein dürfen, positive Menschen bis in die Wurzeln unseres Seins. Warum?
Wissen Sie, was in meinen Augen das Großartigste ist an unserem christlichen Glauben: dass er das große, unüberhörbare JA verkündet. Eine positive, lebensbejahende Botschaft. Gott sagt JA zu SEINER Schöpfung, insbesondere auch zu SEINER Schöpfung Mensch (Gen 1, 31). Gott selbst sagt dann noch SEIN JA, wenn die Menschen sich von IHM abwenden und schuldig werden (2 Tim 2, 13) Und ER sagt SEIN JA immer wieder neu, wenn wir uns IHM zuwenden, vielleicht nach langen Irrwegen und Durststrecken. (siehe z.B. das Gleichnis vom Verlorenen Sohn oder Barmherzigen Vater in Lk 15, 11-32) Gottes JA ist nach menschlichen Maßstäben ein unbegreifliches JA. Dieses JA Gottes ist in SEINEM Sohn Jesus Christus selbst Mensch geworden. Jesus hat dieses JA Gottes bis in die letzten Winkel des Lebens durchbuchstabiert und gelebt. Er hat uns gezeigt, dass dieses JA über dem Menschen auch in Leid und Tod noch in vollem Umfang gilt. SEINE Menschwerdung und SEINE Auferstehung von den Toten überhaupt sind doch ein einziges, großes JA zum Leben.
Dieses JA feiern wir in jeder Heiligen Messe. Und wir schauen immer wieder auf einen Menschen, der in besonderer Weise den Mut hatte, auf dieses JA Gottes ihr JA zu sprechen: Maria: Maria sagt JA zum Heilsplan Gottes und stellt sich IHM ganz zur Verfügung. Ihr JA ist auch ein unbeschränktes, ganz und ehrlich gemeintes JA. Das ist beispielhaft die Antwort des Glaubens auf das Wirken Gottes. Darin ist sie uns Vorbild. Und wir sind eingeladen, mit ihr zusammen unser JA zu Gott, zu seinen Wegen und Plänen mit uns, JA zu Jesus Christus zu sagen. Wer den Mut zu diesem JA hat, für den wird Leben zu einem Leben in Fülle.
Wenn wir JA sagen, zu uns selbst, zum Nächsten, zum Fremden, zu Gott, dann tun wir das eben nicht blauäugig aus dem hohlen Bauch heraus. Wir können es tun, weil über uns das große JA gesprochen ist. Auch Gott ist ein Jasager. Maria bekommt ihr Angenommensein direkt ins Gesicht gesagt, bevor Sie den Auftrag bekommt: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ – so spricht sie der Engel an (V. 28). Und so lockt ER auch uns, es IHM und der Gottesmutter gleich zu tun.

Sonntag, 12. August 2007

Heil-sames Motivationstraining (Joh 6, 1-15)

Im Alltag eines jeden von uns warten Aufgaben, die bewältigt werden müssen, Probleme, die man vor sich herschiebt und Sorgen, die einen belasten. Das gilt genauso im Großen: auch unsere Gesellschaft hat dicke Brocken zu wälzen: Reformen, Integration, aber auch Krisenherde, um nur einige wenige zu nennen, die sich tagtäglich in den Schlagzeilen breit machen.
Wir würden uns oft gerne einfach nur ausklinken, Augen und Ohren zumachen und unsere Ruhe haben. Vor so mancher Aufgabe stehen wir wie Zwerge vor einem unbezwingbaren Riesen. Die achselzuckende Bemerkung: „Was kann ich als Einzelner da schon tun?“ fällt oft. Auf dem ersten Blick mag sie berechtigt sein. Genauer hingesehen ist sie eine Ausrede, eine Flucht. Wenn man auch so manches Problem nicht im Ganzen lösen kann, so gehen doch kleine Schritte in die richtige Richtung fast immer – Schritte des nachbarschaftlichen Miteinanders, der Verantwortung gegenüber der Umwelt, der Beilegung von Konflikten, der Ehrlichkeit in der Anspruchnahme staatlicher Mittel, usw.
Nehmen wir uns den kleinen Jungen aus dem Evangelium zum Vorbild. Das Problem ist riesig: 5000 hungrige Menschen und weit und breit nicht annähernd genügend zu essen für sie. Der kleine Junge ist unbefangen genug und wirft seine fünf Gerstenbrote und zwei Fische in die Waagschale. Vordergründig ein Tropfen auf den heißen Stein, als Lösungsvorschlag nicht ganz ohne Tragikomik. Er hätte sie – trotz der Entdeckung durch den Apostel Andreas -zurückhalten können, um wenigstens seine Mahlzeiten zu sichern. Aber er ist kindlich frei, genau das nicht zu tun und sieht von sich ab zugunsten so vieler.
Mit diesen Broten und Fischen wirkt Jesus das Wunder der Speisung, dass zum Abbild wird für IHN selbst, der das Brot des Lebens ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben, wird er wenig später sagen (vgl. Joh 6, 48-58). Ein Wunder, das Vorausbild ist für die Hingabe seines Lebens am Kreuz, wo auch die Hingabe eines Einzelnen, SEINE Hingabe, zum Heil vieler wird. Nicht nur das Brot ist hier ein Gleichnis Jesu, der kleine Junge ist es irgendwie auch.
Für uns, die wir als Einzelne viele große Probleme nicht lösen können und auch das Heil der Menschen nicht selber machen können, hören wir aus diesem Geschehen zweierlei heraus: In Jesus wird uns Heil und Leben von Gott im Überfluss geschenkt. Und wo wir uns aus dieser Erkenntnis im Rahmen unserer Möglichkeiten für SEINE Sache einsetzen, dürfen wir darauf bauen, dass Gott es vollendet. Also: verstecken gilt nicht. Packen wir an, was Getan werden muss. Und lassen Sie sich nie den Mut nehmen, eine Aufgabe anzupacken, egal wie groß sie auch sein mag.

Samstag, 11. August 2007

Bei Gott in die Schule gehen (Joh 6, 41-51)

Möchten Sie noch einmal wieder zur Schule gehen? Viele on Ihnen sagen sicher ganz schnell und ganz entschieden: Nein! Oder wenn Du noch Schüler/in bist: Gehst Du gerne zur Schule?
Die Gefühle bei dieser Frage mögen zwiespältig sein. Einerseits hat diese Zeit ihre unbeschwerten Seiten, andererseits aber auch unbestreitbar ihre mühseligen Aspekte. Nur die wenigsten sind „Überflieger“, denen das Lernen stets leicht von der Hand geht. Und doch: Lernen an sich ist etwas Notwendiges. Und wenn man neugierig ist auf die Dinge des Lebens und ihre Geheimnisse, dann ist Lernen spannend. Das Lernen im Leben hört niemals auf.
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“ – Ganze Generationen haben diesen Satz zu hören und zu spüren bekommen. Heute ist er etwas aus der Mode gekommen, aber viele meinen, die Erkenntnis als solche sei ebenso notwendig, wie das Lernen selbst. Jeder fängt klein an und arbeitet sich hoch. Man kann nicht alles sofort und aus sich heraus.
„Und alle werden Schüler Gottes sein:“ (V. 45). Mit diesem Wort zitiert Jesus den Propheten Jesaja (Jes 54,13). Wie geht es Ihnen beim Hören dieses Satzes? Bei Gott in die Schule gehen – das ist ein faszinierender Gedanke. Was wir wohl bei IHM lernen? Lesen, Schreiben und Rechnen wohl kaum zuerst, aber Barmherzigkeit, Liebe, Konsequenz, Teilen, Beten, Hören, Frieden und vieles mehr: alles elementar wichtige Lektionen, die uns wahrhaft menschlich machen, auf geradezu göttliche Art menschlich. Alles Fähigkeiten und Eigenschaften, die echte Stärke sind und dem Leben Weite und Gelingen schenken.
Was könnte uns besseres passieren, als dass wir uns entscheiden würden, wieder in die Schule zu gehen, und das ganz bewusst – bei Gott?! Auch wenn wir bei manchen der göttlichen Fächer vielleicht ganz klein anfangen müssten, es würde sich bestimmt lohnen, für uns, für alle, mit denen wir zusammen leben, für die ganze Welt. Und Gott ist kein Lehrer, der von oben herab lehrt, sondern in Jesus zu uns runter kommt, und vorlebt, was er lehrt. Und was überzeugend ist, lernt man nicht unter Druck, sondern aus Neigung.

Donnerstag, 9. August 2007

In der Freude an Gott sich selbst begegnen (Phil 4, 4-7)

Was macht Sie stark? Was schenkt Ihnen Selbstvertrauen und Lebensfreude? Was lässt Sie zuversichtlich nach vorne schauen? Wir sollten es regelmäßig vornehmen, uns selbst in diesen Fragen ganz persönlich Rechenschaft zu geben. Das ist eine wichtige Standortbestimmung, und zwar mit ganz positivem Vorzeichen.
Aus welchen Quellen lebe ich eigentlich? Mancher mag seine Partnerschaft oder seine Familie nennen, jemand anderes seine Charismen und Aufgaben, die ihn erfüllen und begeistern; wieder ein anderer erzählt von Freundschaften oder seinem Glauben. Das sind Dinge, die unserem Leben Halt und Tiefe geben, die uns mit Hoffnung erfüllen, die uns die Kraft geben zu einem immer neuen nächsten Schritt. Wir haben allen Grund, uns diese Dinge immer wieder neu vor Augen zu führen und für alles das Dank zu sagen, was solche Freude in unser Leben trägt: Freude, die uns stark macht, die Selbstvertrauen, Gelassenheit und Vertrauen in eine gute Zukunft schenkt. Sie ist eine echte Lebensquelle und damit für uns das, woran wir Lebensqualität festmachen.
So wie der hl. Paulus den Philippern zu verstehen gibt, haben sie zu jeder Zeit Grund zur Freude. Echte Freude hat immer einen tieferen Grund. Doch was der Grund zur Freude sein, der so beständig ist, dass er immer da ist? Für Paulus ist der tiefe Grund dieser beständigen Freude der Herr selbst (V.4). Unser christlicher Glaube ist zutiefst davon überzeugt, dass solche echte tiefe Freude im letzten eine einzige Ursache hat, aus der alle anderen Dinge, die uns Freude schenken, strömen: Gott. SEINE Nähe, der direkte Zugang zu IHM im Gebet, der tiefe Friede, den SEINE Zuwendung schenkt: das ist die Quelle echter und beständiger Freude, die immer Freude am Dasein, Freude am Leben ist.
Nicht zuletzt die Psalmen sind voll von dieser Überzeugung: „Du zeigst mir den Pfad zum Leben. Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle“ (Ps 16,11); „So will ich zum Altar Gottes treten, zum Gott meiner Freude“ (Ps 43,4); „Deine Vorschriften sind auf ewig mein Erbteil; denn sie sind die Freude meines Herzens“ (Ps 119,111), um nur einige wenige Verse zu zitieren, die auch unser Gebet sein können.
„Macht euch keine Sorgen. Die Freude am Herrn ist eure Stärke“ – so fasst es der Prophet Nehemia zum Trost für ein arg gebeuteltes Volk zusammen und lädt sie ein zum Fest. (Neh 8,10) Freude an Gott ist nicht kurzfristiges Vergessen der Schwere des Lebens durch spaßige Ablenkung. Freude an Gott kann vielmehr unser Leben im Ganzen prägen und verwandeln. Sie ist echtes gläubiges Lebensgefühl und es gibt keine beständige Lebensqualität ohne sie. Ihrer nachzuspüren ist die eigentliche Standortbestimmung.

Dienstag, 7. August 2007

Wie barfüssige Ehrfurcht Fremdes vertraut macht (Ex 3, 1-15)

Wie gesellschaftliche Regeln des Anstandes sich doch wandeln und kulturell unterschiedlich sind! In unseren Breiten schickt es sich z.B. nicht für einen Herrn, in der Kirche den Hut aufzulassen. Dagegen ohne Kopfbedeckung eine Synagoge zu betreten ist undenkbar. Würden Sie barfuss in eine Kirche gehen? Sie meinen, das ziemt sich nicht?
Mose soll sich die Schuhe ausziehen, denn der Ort, wo er steht und die Begegnung mit Gott hat, ist heiliger Boden (V.5). Er ist heiliger Boden durch die Gegenwart Gottes. Gott erscheint Mose in Gestalt eines Engels in einem Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt (V.2). Und ER verlangt von Mose, dass er sich mit unmittelbarem Erdkontakt auf seine Füße stellt, wenn ER mit ihm redet.
Wenn Gott uns von Angesicht zu Angesicht begegnet, dann ist und bleibt ER doch der ganz Andere, ist unserem Zugriff entzogen, selbst wenn ER uns ganz nahe kommt. Es klingt paradox: ER ist und bleibt uns "fremd-vertraut". Wir leben in SEINER Gegenwart, sprechen regelmäßig mit IHM, haben ein Bild, eine Vorstellung von IHM in uns. Doch wenn ER uns dann ganz konkret ganz nahe kommt, zeigt ER SICH uns ganz anders, als unsere Vorstellungskraft es fassen kann. Das fordert von uns eine große Portion Offenheit, IHM an dem Ort und auf die Art zu begegnen, wie ER es vorgibt.
Diese Gegenwart verlangt von uns Menschen die Haltung der Ehrfurcht. Erfurcht ist eine Haltung, die vielen Zeitgenossen heute fremd ist wie das Wort selbst. Gemeint ist eine Art Achtung und Respekt vor SEINER Größe und SEINEM Geheimnis. Wir Katholiken üben sie z.B. in unserer Liturgie im Gotteshaus, auch wenn sie nie nur auf diesen Bereich beschränkt bleiben darf. Wir machen eine Kniebeuge vor den leibhaftig anwesenden Herrn im Tabernakel. Wir knien nieder bei der Wandlung oder stehen ehrfürchtig beim Hören der Worte und Taten Jesu im Evangelium, das ihn in unserer Mitte lebendig werden läßt. Und wenn sogar die Begegnung mit jedem Menschen zu einer Gottesbegegnung werden kann (siehe Mt 25,40), dann wird Ehrfurcht zu einer Grundhaltung des Menschen bis hinein in den Alltag.
So lernt Mose seinen Gott kennen. Er ist der „Gott der Väter“ (Vv 6+13). Wir stehen in unserem Glauben in der Linie unserer Vorfahren, die uns den Glauben überliefert haben. Niemand kann sich seinen Glauben selber machen. Er ist uns geschenkt. Echte Gotteserfahrungen haben nicht nur Bedeutung für einen einzelnen, der sie erlebt. Sie tragen Generationen. Und er ist der „Ich bin da“ (V.14). SEINE Gegenwart ist SEIN Name, d.h. SEIN Kennzeichen, SEIN Wesensmerkmal schlechthin. Ein deutliches Signal an alle, die IHN leugnen oder behaupten, ER sei in dieser Welt nicht mehr anwesend und hätte SICH schon abgewandt. Doch das widerspräche SEINEM Wesen. Wer ehrfürchtig mit beiden Beinen auf der Erde steht, dem wird das nicht verborgen bleiben.

Sonntag, 5. August 2007

Wohlige Wärme statt heißer Luft (Koh 1,2; 2, 21-23)

Kennen Sie das auch: Kleinigkeiten können eine Wichtigkeit bekommen, die ihnen gar nicht zusteht. Da fängt z.B. man an, sich wegen einer Lappalie in die Haare zu bekommen und daraus entwickelt sich ein handfester Streit, der dafür sorgt, dass man wochenlang nicht miteinander spricht. Wichtigkeiten richtig einzuordnen und zu gegebener Zeit „Fünfe gerade sein lassen“ zu können, sind eine echte Lebenskunst. Die eigene Meinung, der eigene Lösungsvorschlag sind und bleiben oft eine unter mehreren denkbaren und praktikablen. Andere können auch recht haben. Und alles haben muss man nicht, schon gar nicht immer Recht. So vielem jagt man nach mit einem Feuereifer, der die Sache gar nicht rechtfertigt. Welche selbsternannten „Prinzipien“, die eigentlich beliebig austauschbar sind, verteidigt man mit Zähnen und Klauen!
Auf dem Teppich bleiben, die Kirche im Dorf lassen, sich selbst und das eigene Vermögen richtig einschätzen, anderen auch zugestehen, dass sie gute Ideen haben, und den Eifer an der richtigen Stelle zum Einsatz bringen – was würde das eine Gelassenheit in unser Leben bringen! Und das an Stelle von so viel heißer Luft, die von uns an so vielen Stellen erzeugt wird und doch nicht mehr ist als eine kolossale Energieverschwendung, mit der man sich gegenseitig nur einheizt, ohne dass es wirklich warm wird.
Wir sollten spätestens alle zwei Tage bei Kohélet reinschauen und uns von ihm erinnern lassen: Was ist nicht alles Windhauch?! Auch bei mir selbst. Von Papst Johannes XXIII wird berichtet, dass er über und zu sich sagte: „Giovanni, nimm dich nicht zu wichtig!“ Er hat es nicht nur zu sich gesagt, er hat es auch so gemeint und danach gehandelt. Eine notwendige Demutsübung, die so manche Schräglage in den Wichtigkeiten zu Recht rückt und uns auf die Plätze verweist. Anstatt heiße Luft zu produzieren sollten wir lieber dort Dampf machen, wo wir wirklich gefragt und dran sind.

Samstag, 4. August 2007

Mathematik der Göttlichen Liebe (Joh 16 12-15)

Gott ist ein Geheimnis, das wir Menschen nie ganz ergründen werden. Wir sind angewiesen auf das, was Gott uns von SEINEM Wesen offenbart, was ER uns von SICH zeigt. Naturwissenschaftliche Logik hilft da nicht viel weiter, auch wenn die Gegenwart Gottes als solche durch die Geschöpfe und die Größe ihrer wunderbaren Vielfalt mit Sicherheit erkannt werden kann. Auch die Lehre von der Göttlichen Dreifaltigkeit, die ganz zentral ist für unser christliches Gottesbild - wir meditieren es im Grunde mit jedem Kreuzeichen „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes…“ - ist mit naturwissenschaftlicher Logik nicht herzuleiten. Das 1+1+1 = 1 und nicht 3 sein soll, lässt dem Mathematiker die Haare zu Berge stehen.
Doch in der Geschichte Gottes mit dem Menschen, wie sie uns in der Heiligen Schrift überliefert ist, hat Gott SICH den Menschen im wesentlichen in drei Personen offenbart: als Schöpfer und Vater, der alles in allem ist; als Sohn in Jesus Christus, der eins mit dem Vater ist und dem der Vater alles übergeben hat (V.15), der eben nicht nur ganz Mensch ist, sondern zugleich ganz Gott; und als Heiliger Geist, der aus beiden hervorgeht und uns an die Botschaft erinnert. So ist er das Lebensprinzip, die Quelle und der Motor der Kirche (vgl. ebd.). Und diese Drei sind eben nicht nachträglich durch kluge Theologenköpfe zusammengewürfelt. Der Evangelienabschnitt zeigt uns, wie Jesus selbst alle voneinander unterscheidet und doch zusammen eint.
Gilt zudem nun noch die Grundaussage aus der Gotteslehre Israels, dass es nur einen Gott gibt – vgl. Dtn 6,4 - so ist die logische Konsequenz, dass der eine Gott sich in drei Personen entfaltet. Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist bleiben in dieser Dreiheit trotzdem der eine Gott. Und diese drei Personen in dem einen Wesen Gottes stehen in unendlicher Liebe zueinander, in einem permanenten Austausch. Diese strömen auf uns, die Geschöpfe, aus und wir sind in diese Liebe und diesen Austausch hinein genommen.
Das sind theologische Gedanken, die manchen schwer und abstrakt anmuten. Jedoch sind es gut begründete Versuche, das eigentlich unsagbare und geheimnisvolle in Worte zu kleiden. Wir sind eingeladen, uns dem Geheimnis Gottes mit Ehrfurcht zu nähern.

Freitag, 3. August 2007

Unter neuen Vorzeichen in eine gemeinsame Zukunft (Lk 7, 36-50)

Stellen Sie sich vor, es bahnt sich in Ihrem Leben an, dass sich etwas kolossal, von Grund auf sozusagen, verändert. Es ist, als stünde ein neuer Lebensabschnitt bevor. Sind Sie dann eher der Typ, der in die neue Situation hinein vom bisherigen so viel wie möglich hinüber retten möchte? Oder gehören Sie zu denen, die sich bemühen, sich vom bisherigen weitestgehend zu lösen, um für das Neue, das da auf Sie zukommt, offen und bereit zu sein?
Es wird wohl niemand von sich sagen, dass er entweder ganz zur einen Handlungsweise neigt oder ganz zur anderen? Mancher wird auch sagen: Das hängt davon ab, ob ich mich auf das Neue freuen kann oder ob es mir Angst macht. Und wie sehr ich im bisherigen verwurzelt bin und mich in ihm wohlgefühlt habe oder ob ich nur auf die Möglichkeit einer Veränderung gewartet habe.
Alle diese Haltungen finden wir auch im Zusammenhang mit der Kooperation und der Zusammenlegung von Pfarrgemeinden. Einige sehen eher die Chancen, andere die Risiken; einige sehen die Verluste, andere die Perspektive auf Bereicherung; einige sehen die Gestaltungsspielräume, andere die Grenzen. Und das Spektrum ist so vielfältig wie die Farben.
Das Evangelium ist ein Plädoyer für die Offenheit, für die Möglichkeiten, die Veränderung bietet, für die Chancen eines Neuanfangs, für das Aufeinanderzugehen, für das „Den Anderen an sich heranlassen“, aber auch für das Zulassen von Gefühlen, das Einander Gutes Tun, das gegenseitige Zusagen von Heil. Jesus und die Sünderin leben es vor. Sie, auf die die argwöhnischen Augen einer ganzen Stadt gerichtet sind, weil alle ihre Grenzen und Grenzüberschreitungen kennen oder zu kennen glauben - und ER, der jedem, der wirklich neu anfangen möchte, auch die Chance dazu schenkt und offen aufnimmt, gehen aufeinander zu. Sind das nicht auch die richtigen Haltungen, um unter neuen Vorzeichen in eine gemeinsame Zukunft zu gehen?

Donnerstag, 2. August 2007

Katechismus für die Westentasche (Mk 12, 28-34)

Das Leben ist kompliziert. Jede Entscheidung, die wir treffen, übersehen wir kaum in all ihren Konsequenzen. Immer wieder kommt es vor, dass wir uns eingestehen müssen: Das habe ich nicht vorhersehen können.
Auch Glauben ist kompliziert. Schwierige Glaubensinhalte, gepaart mit der Notwendigkeit eines echten Vertrauensvorschusses, fordern uns Menschen ganz. Immer wieder kommt es vor, dass wir uns eingestehen müssen: Dem Anspruch bin ich nicht gerecht geworden.
Gebote, Lebensregeln, Weisungen helfen uns, uns zu orientieren. Sie bieten uns echte Anhaltspunkte, an denen wir nachvollziehen können, ob wir mit unserem Tun und Lassen, mit unserem Glauben und Vertrauen auf der rechten Spur sind. Sie können diesen Dienst jedoch nur tun, wenn sie für uns nicht beliebig, sondern verbindlich sind. Sie brauchen Autorität. Deswegen beginnt das zentrale Doppelgebot der Liebe, das Jesus zitiert, auch mit einem wichtigen Appell: „Höre Israel!“ (V.29) Man könnte ergänzen: … und lass es dir gesagt sein!
Doch auch eine zu große Vielzahl von Geboten, Lebensregeln und Weisungen können eher alles noch komplizierter und unübersichtlich machen, als dass sie hilfreich sind. Gibt es nicht kurze, knackige Zusammenfassungen des Wesentlichen, die so einprägsam und prägnant sind, dass man sie immer zur Hand und im Herzen haben kann und die trotz ihrer Kürze doch weitestgehend Orientierung bieten?
Jesus selbst macht uns auf das Wesentliche aufmerksam: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und mit all deiner Kraft. Und: deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“ (V 30f)
Vorbehaltlose Zugeneigtheit zu Gott auf der einen Seite und die Zugeneigtheit zum Menschen aus einer gesunden Selbstannahme heraus: Wo das der Motor des Miteinanders ist, da steht wirklich die größere Ehre Gottes das Wohl und die Würde des Nächsten ganz im Mittelpunkt, da gelingt Leben.
Jetzt muss das, was uns klar vor Augen steht, nur noch gelebt werden.

Mittwoch, 1. August 2007

Die Fruchtbarkeit des Gottvertrauens (Jer 17, 5-8)

Wahrscheinlich ist Ihnen das Wort „Wenn du dich auf andere verlässt, bist du verlassen“ geläufig, und das nicht nur vom Hörensagen. Es ist ein bitteres Wort, hinter dem eine ebenso bittere Erfahrung steckt. Sie ist bitter, weil sie mit einer großen Enttäuschung verknüpft ist. Da hat man auf die Hilfe, das Wohlwollen, die Unterstützung, den Beistand von Menschen gebaut und es ist nicht eingetreten. Und je näher einem diese Menschen stehen, umso größer ist die Enttäuschung.
Der Prophet Jeremia bringt die Erfahrung mit sprechenden Bildern auf den Punkt. Der, der auf Menschen setzt, ist wie ein kahler Strauch in der Steppe, der kein Wasser bekommt. Hilflos verlassen, dem Untergang geweiht, so sieht in Jeremia. Das trifft die Stimmungslage eines Enttäuschten ziemlich gut, auch wenn Jeremia so ein bisschen die Tendenz von „Selbst Schuld!“ in seinen Worten hat. Der Enttäuschte hätte es anders haben können. Wie? Wenn er statt auf Menschen auf Gott vertraut hätte. Ein Mensch, der sich auf Gott verlässt, so der Prophet, dem bleibt die Erfahrung der Enttäuschung erspart. Er ist wie ein Baum am Wasserbach, der jederzeit bekommt, was er zum Leben braucht. Ja mehr noch: auch Durststrecken überwindet er ohne Mühen, weil er weiß, dass Gott ihn nie verlässt.
Ich denke mal, unabhängig von der Weisheit Jeremias kennt jeder auch die Erfahrung, wie er fest auf Mitmenschen bauen konnte, die ihn durch schwere Zeiten trugen. Andererseits wird auch mancher die Erfahrung teilen, das Gefühl gehabt zu haben, von Gott verlassen zu sein. Wichtig ist, die Offenheit zu behalten, sich der Hilfe und dem Wohlwollen anderer anvertrauen zu können, sich trotz einer empfundenen Enttäuschung nicht abzukapseln. Das gilt ganz besonders auch im Hinblick auf Gott, der oft so ganz andere Wege für uns wählt, die doch für uns heilsame Wege sind. Oft stellt sich das erst im Nachhinein heraus. Und das heißt: Unser Vertrauen zu Gott, aber nicht nur zu IHM, braucht einen langen Atem. Und wahrscheinlich ist genau das das Schwere. Fatal wäre es, aus der Enttäuschung heraus auf das Lebensmotto: „Ich muss alleine sehen, wie ich fertig werde!“ zu verfallen. Das wäre das Ende jeglicher Menschlichkeit, und zwar in jeder Richtung. Erweisen wir einander als verlässlich und vertrauen wir uns der verlässlichen Hilfe Gottes an. Vertrauen können verändert den Tag von Grund auf.