Samstag, 20. Oktober 2007

Den Glauben hochhalten und gehalten sein (Ex 17, 8-13)

Immer, wenn wir Menschen etwas senken, ist das meistens ein Ausdruck von Trauer, Resignation, Kraftlosigkeit und Niederlage. Wir kennen viele Haltungen und Symbole des Senkens, um das zum Ausdruck zu bringen. Da lässt einer den Blick sinken oder lässt die Schultern hängen, da wird eine Fahne auf Halbmast gesetzt, da streckt einer die Waffen.
Im Gegenzug, wenn das Haupt erhoben wird, der Körper aufgerichtet, die Fahne gehisst, dann ist das Ausdruck von Initiative und Mut, von Kraft und Aufbruch.
In dem Abschnitt aus dem Buch Exodus ist diese Symbolik sehr zentral und lädt zum meditieren ein. Auf dem Weg ins Gelobte Land im Sinai stellt sich den Israeliten das Volk der Amalekiter in den Weg. In der Wüste sind Wasser- und Weideplätze rar. Es kommt zum Kampf. Josua führt das Heer der Israeliten an. Doch es kommt anscheinend weniger auf ihn und die Krieger an, denn auf Mose, der mit dem Gottesstab – dem Stab mit dem er im Auftrag Jahwes das Rote Meer gespalten hat – auf einem Berg steht und ihn hoch erhoben hält. Solange er den Stab erhoben hält, ist Israel auf der Siegerstrasse. Doch wer kann schon stundenlang einen Stab hoch erhoben halten, ohne dass die Arme müde werden und der Stab sinkt?! So bekommt Mose Stütze durch Aaron und Hur, um durchzuhalten. So wird der Sieg am Ende errungen.
Zweierlei braucht der Mensch, um immer wieder Mut zu fassen, Kraft zu schöpfen, Initiative zu setzen und aufzubrechen: Erstens: Das Hochhalten des Glaubens. Dafür steht der Stab mit seiner Bedeutung. Zweitens: Hilfe und Unter-Stützung – im wahrsten Sinn des Wortes – durch Freunde und Gefährten. Wer danach lebt, den kann so schnell Trauer, Resignation, Kraftlosigkeit und Niederlage nicht treffen. Hier kann man schön zusammenfassen, was der Sinn und die Aufgabe von Gemeinde ist: den Glauben hochhalten und einander Halt und Stütze sein. Es lohnt sich, so miteinander das Leben zu meistern.

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Wie Náaman seinen Glauben „erdet“ (2 Kön 5, 1-17)

Es lohnt sich, die Begegnung des Syrers Náaman mit dem Propheten Elíscha, die uns das Zweite Buch der Könige des Alten Testamentes schildert, ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen.
Náaman, ein hochrangiger heidnischer Offizier, erkrankt an Aussatz. Eine israelitische Sklavin gibt ihm den Tipp, sich an Elíscha zu wenden. Er könnte ihn heilen. Mit vielen Schätzen beladen – sei es um sich die Heilkunst des Propheten zu erkaufen oder um sich nachher gebührend bedanken zu können, macht er sich auf den Weg zu ihm.
Elíscha „verordnet“ ihm die „Therapie“, siebenmal im Jordan unterzutauchen. Mit dieser Heilungsmethode kann Náaman gar nicht umgehen. So etwas Ungewöhnliches hat er nicht erwartet. Und warum soll ausgerechnet der Jordan helfen und nicht die heimatlichen Flüsse? Der Therapievorschlag rührt an die Ehre seiner syrischen Herkunft. Auf Drängen seiner Begleiter tut er es trotzdem - und wird geheilt.
Náaman begreift schnell, dass seine wunderbare Heilung ohne das Wirken Jahwes, des Gottes Israels, nicht möglich gewesen sein kann. Er erfährt so etwas wie eine Bekehrung, hat aber das Problem, nun in seine heidnische Heimat zurückkehren zu müssen und dort als Staatsdiener den heidnischen Kulten weiterhin verpflichtet zu sein. Was soll er tun? Er erbittet von Elíscha israelitische Heimaterde. Er will sie mitnehmen, um auf ihr nur noch Jahwe Opfer darzubringen. Was vordergründig ein rührender Wunsch und eine gewitzte Lösung seines Dilemmas ist, mag für uns heute Anlass zum Nachdenken sein. Was tun wir in einer ähnlichen Situation wie Náaman? Wir kommen am Sonntag im Wort und Sakrament mit Gott in Berührung und kehren dann zurück in unseren Alltag, wo die Mehrheit von unserem Glauben nichts wissen will, gleichgültig ist, vielleicht ihn sogar ablehnt? Wie tragen wir unsere Gläubigkeit in die Woche? Wo ist unsere „gläubige Heimaterde“, die wir aus der sonntäglichen Begegnung mit IHM mitnehmen, auf der wir im Alltag unseren Glauben leben? Wann habe ich meine Gebetszeiten? Wo lese ich privat für mich in der hl. Schrift? Nehme ich die Chance war, auch an den Werktagen die hl. Messe zu besuchen? Werde ich nächsten Sonntag meine Chance zur Berührung mit Gott wieder nutzen?
Glaube braucht „Erdung“, Lebensorte, denn Glaube ist Heimat und Lebensausrichtung - und nicht nur eine Episode im Laufe der Woche.

Donnerstag, 27. September 2007

Die Lektion der Verantwortung (Am 8, 4-7)

In der Erziehung der Kinder ist es ein wichtiges Kapitel, sie an die Übernahme von Verantwortung heranzuführen. Erste kleine Aufgaben in der Familie werden von den Eltern an sie abgegeben, und die Kinder lernen, was es heißt, dass sie ihren Beitrag für das Gemeinsame leisten. Sie nehmen bewusst auf, wie gut es tut, wenn andere für sie mit einstehen und was sie alles verlässlich für sie tun. Im Gegenzug erfahren sie, dass auch sie sich einzubringen haben, ein wichtiger Teil der Gemeinschaft sind, und wie es das Miteinander stört, wenn sie ihrer Verantwortung nicht nachkommen oder sich auf Kosten der Anvertrauten bereichern. Zur Lektion der Verantwortung gehört notwendig die der Selbstlosigkeit.
Ohne verlässliche Übernahme von Verantwortung gibt es keine Gemeinschaft, in der Familie nicht, in der Sportmannschaft und im Betrieb nicht, nirgends im Kleinen wie im Großen. Übernommene Verantwortung kann jedoch zur Versuchung werden. Verantwortung heißt: ich bin verlässlich da, trage Fürsorge für etwas, was mich übersteigt und was mir nicht gehört. Es geht nicht darum, meinen persönlichen Nutzen zu fördern. Das anvertraute Gut, die anvertrauten Menschen stehen im Mittelpunkt und das, was ihnen nützt.
Die Suche nach dem eigenen Vorteil ist ein starker Zug in uns. Der natürliche Trieb zur Selbsterhaltung kann zum selbstbereichernden Egoismus mutieren, der jedes Maß des Notwendigen verliert. Macht verführt leicht zu mehr Macht wollen; Haben zu mehr haben wollen. Davon ist niemand freigesprochen. Die Grenze wird überschritten wo man sich an Anvertrautem schadlos hält und sich bereichert.
Der Prophet Amos legt unverhohlen und überdeutlich den Finger in diese Wunde. Und er zeigt auf: es ist nicht nur in seinen Augen ein Skandal, sondern vor allem auch in den Augen Gottes. Wo der Mensch seinen Verantwortungsbruch am liebsten vertuschen und unter den Tisch kehren möchte, deckt Gott auf und wird es nicht vergessen. Jesus sagt: „Wenn ihr um Umgang mit dem ungerechten Reichtum nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen?“ (Lk 16,11)
Jede/r mag bei sich schauen, wo er/sie übernommene Verantwortung wieder ernster nehmen und neu entdecken muss, dass er/sie da eigentlich einen Dienst zu leisten hat und andere doch auf ihn/sie zählen.

Himmlische Finanzpolitik (Lk 15, 8-10)

Was machen Sie, wenn Ihnen in Ihren vier Wänden eine Euro-Münze abhanden kommt, weil sie Ihnen irgendwo heruntergefallen ist, sie aber nicht ganz genau wissen wo? Werden Sie denken: „Ach irgendwie wird das Geldstück schon wieder auftauchen!“ und warten diesen Augenblick einfach ab, wann immer er auch sein wird? Oder stellen Sie auf der Stelle das ganze Haus auf den Kopf, um die Münze zu finden?
Die meisten werden ersteres tun. Was ist schon ein Euro? So dringlich ist er auch wieder nicht, dass er solche Mühe rechtfertigt und wegen seiner alles absucht. Die Frau im Gleichnis Jesu ist allerdings so verrückt. Wegen einer Drachme sucht sie alles ab. Ja mehr noch: als sie sie findet, veranstaltet sie aus Freude darüber, übertragen gesprochen, einen „Kaffeeklatsch“. Würden Sie, wenn sie das Geldstück, diesen Bagatellbetrag, wiedergefunden haben, solch einen Zinnober veranstalten? Was so reichlich überzogen klingt, hat eine besondere Aussage, ist ein Vergleich: So verrückt ist der Himmel, wenn sich ein Sünder bekehrt, sagt Jesus (V. 10)
Jeder einzelne Mensch, egal wie viel Milliarden es auch sind, ist Gott unendlich wichtig. Niemandes Weg ist IHM egal. ER bangt darum, dass jeder einzelne seinen Weg der Nachfolge findet und ihn geht. Jeder, der diesen verlässt, sich also von Gott abwendet, stimmt den Himmel unendlich traurig. Umkehr hingegen, lässt die Engel ein Fest feiern.
Dieses Gleichnis Jesu, wie auch die anderen drum herum von dem einen Schaf aus hundert, das sich verirrt und für das der Hirte alle anderen zurücklässt, um das eine wiederzufinden (Lk 15, 1-7), wie auch das berühmte Gleichnis vom Barmherzigen Vater (Lk 15,11-32) räumen mit einer immer wieder aufkeimenden Meinung auf: nämlich Gott betrachte den Weg SEINER Schöpfung aus der Distanz, hätte sich im Grunde innerlich abgewandt und kümmere sich nicht. Jesus selbst sagt es uns jedoch überdeutlich: Gott bangt um uns, was wir in unserer Wahlfreiheit tun und lassen; die Abkehr des Menschen von IHM lässt IHN trauern; ER hält den Weg zu IHM zurück immer offen. Und wer diesen Weg geht, wird von IHM vorbehaltlos und mit offenen Armen freudig aufgenommen.
Doch gehen müssen wir diesen Weg schon selbst.

Montag, 10. September 2007

Trilogie „Heimat“, Teil 3: Heimatlosigkeit Jesu – Unsere Heimat im Himmel

Die nie erlischende Sehnsucht und die ständige Suche nach dem Ort, an dem Milch und Honig fließen, seine immer wieder kehrende Gefährdung und der ständige Verlust des Paradieses: eine „Never-ending-story“? Gibt es Heimat überhaupt? Ist der Ort überhaupt zu finden? Und wenn ja wie ist er zu bewahren? Oder greifen wir völlig zu kurz, wenn wir Heimat suchen?
In Jesus Christus, den wir als Gottes Sohn bekennen, bekommen wir entscheidende Wegweisung für unsere Suche. In ihm wird Gott ganz Mensch wie wir, kommt ganz ins Hier und Jetzt. Und doch hat ER keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann (Mt 8,19f). ER ist, nach eigenen Worten, nicht gekommen, um die Weisungen und Verheißungen der Vergangenheit aufzuheben, sondern um zu erfüllen (Mt 5,17). Die Vergangenheit ist nicht ausgeklammert. Nur wer sie einbezieht, wird Jesus und seine Botschaft begreifen.
Die Botschaft ist der Anbruch des Gottesreiches, das große Heimholen der Schöpfung, das Gott schenkt und bewerkstelligt und das nicht im Irdischen zu fassen ist (vgl. z.B. Hebr 11,12-16). Und es steht in Vollendung noch aus, ist auf Zukunft hin ausgerichtet.
Heimat, so behauptete ich anfangs, ist ein Roter Faden der hl. Schrift. Die Fragen des Woher des Menschen, seines Daseins im Hier und Jetzt und sein Wohin sind im letzten Heimatfragen. Heimat im biblischen Sinn ist da, wo die Antworten auf alle drei Fragen ein und denselben Ort umschreiben: Eine Antwort auf alle drei Fragen zugleich: Des Woher, des Hier und Jetzt und des Wohin. Das alles zusammen erst ist der Ort, wo der Mensch sich selbst findet und seinem Schöpfer am nächsten ist. Solange er sein Augenmerk nur auf ein Teil dieser Richtungen beschränkt, also eingeschränkt sucht, bleibt er Nomade: Er sucht dann entweder die verlorene Vergangenheit und wird depressiv; oder kämpft sich zu Tode in den Unsicherheiten des Hier und Jetzt und wird aggressiv oder rennt einem Traumgespinst hinterher, das er nie erreichen wird und resigniert.
Und Heimat im biblischen Sinn hat Ort und Zeit und Beziehung und geht im letzten doch nicht darin auf, übersteigt sie. Die Antwort auf die Frage nach Heimat beantwortet dem Menschen die Frage, woher er kommt, wer er jetzt ist und was sein Ziel ist. Heimat als Beziehung über Raum und Zeit hinweg. Diese Antwort bekommt er nach der Bibel nicht ohne Gott. ER selbst ist die Antwort.
Ein schwieriges Paradox: Was dem Menschen in seiner Geschichte immer wieder zum Verhängnis geworden ist, nämlich dass er sich selbst als Geschöpf übersteigen kann auf Gott hin, braucht er zugleich notwendigerweise, um seine wirkliche Heimat zu finden. Anstatt sich von IHM abzugrenzen oder IHM gleichen zu wollen, sollte er sich an IHN binden und sich in SEINE Hände fallen lassen.

Trilogie „Heimat“, Teil 2: Babylonisches Exil und die Sehnsucht nach Zuhause

Das Volk gelangt nach großen Mühen und schweren Prüfungen mit der Hilfe und durch die Führung Gottes in das „Gelobte Land“ und nimmt es in Besitz. Gott selbst gibt ihm dort Hilfen an die Hand, um die neugewonnene Freiheit nicht wieder zu verspielen. 10 Gebote regeln das Miteinander, schützen Persönlichkeitsrechte und den Erhalt der Gemeinschaft. Und sie ermahnen den Menschen, Gott Gott sein zu lassen und sich immer wieder zu erinnern, wie Gott ihnen dieses neue Leben ermöglicht hat (vgl. Ex 20,1-17).
Wird der Mensch aus Schaden und der Erfahrung der Rettung klug? Macht man den gleichen Fehler wirklich zweimal oder gar noch öfter? Man macht! Der Mensch schafft das. Und nicht nur zweimal oder dreimal, unendliche Mal. Ist das Urproblem des Menschen und seines ungelösten Heimatproblems, dass er seiner selbst sich nicht sicher ist?
Die Katastrophe des totalen Heimatverlustes trifft das Volk erneut im sog. "Babylonischen Exil" 586 vor Christus in traumatisierenden Ausmaßen. Der Tempel, die zu Stein gewordene Identität des Volkes, die die Gegenwart Gottes selbst darstellt - zerstört, Stadtmauern geschliffen, Häuser geplündert, Menschen in die Fremde verschleppt und getötet (vgl. z.B. 2 Chr 36,11-21). Der Name Babylon wird nach Ägypten zum neuen Synonym für Schutzlosigkeit, Unsicherheit, Sklaverei und Gottesferne. Psalmen besingen zutiefst anrührend die Not und die Scham des Volkes, rufen in der Not der Dunkelheit nach Rettung und Wegweisung. Propheten treten auf, die dem Volk die Augen öffnen sollen für die Ursache dieser Katastrophe. Und dafür, dass nicht nur der Mensch den gleichen Fehler immer wieder macht, sondern zugleich Gott SEINEN Willen nach Rückkehr des Menschen in das Land, in dem Milch und Honig fließen, nicht aufgibt und neue Pläne der Rückkehr schmiedet (vgl. z.B. Tob 14,5). Glück im Umglück: Die Hartnäckigkeit des Menschen trifft auf die unbeugsame Treue Gottes.

Trilogie „Heimat“, Teil 1: Vertreibung aus dem Paradies – Heimkehr ins Gelobte Land

Heimat, so wage ich zu behaupten, ist ein Roter Faden der hl. Schrift. Denn die Fragen des Woher des Menschen, seines Daseins im Hier und Jetzt und sein Wohin sind die im letzten Heimatfragen. Heimat im biblischen Sinn ist da, wo die Antworten auf alle drei Fragen ein und denselben Ort umschreiben.
Der Anfang ist die Erzählung, wie Gott die Erde erschafft, den Garten Eden, das Paradies, inmitten pflanzt und dort SEINE Kreatur Mensch hineinsetzt. Ihr gibt ER einen ebenbürtigen Gefährten an die Seite. Und SEIN Wunsch ist das ewige Bestehen dieses Zustandes (vgl. Gen 1+2). Heimat im biblischen Sinn hat also irgendwie Ort, Zeit und Beziehung und hat es doch irgendwie auch nicht. Aus dieser Urheimat wird der Mensch von Gott, so die Erzählung, vertrieben (vgl. Gen 3,9ff). Die Folge sind Schutzlosigkeit, Nichtsesshaftigkeit, die Ungewissheit der Versorgung und die Mühsal des Alltags. Der Mensch wird Nomade, lebt mal hier und mal dort. Die Frage, wo genügend Nahrung zu finden ist, und wo niemand anderes ihm seinen Platz streitig macht, bestimmt von nun an seinen Lebensort. Der Mensch wird zu einem Wesen ohne Sicherheit. Der Schöpfungsbericht findet den Grund dafür in der Versuchung des Menschen, gottgleich sich zu gebären, sich nicht beschränken zu wollen auf das, was er ist. Seine Fähigkeit, sich selbst zu übersteigen, wird ihm zum Verhängnis. Indem er sich innerlich von seinem Schöpfer distanziert, entfremdet er sich von sich selbst.
So landet der Mensch immer wieder in der Fremde, die ihm zum Sklavenhaus wird. Die Frage nach dem Ort, wo genügend Nahrung ist, wird ihm den Weg zur Heimat nicht weisen. Sie führt ihn in lebensbedrohliche Konkurrenz mit allen anderen Nomaden, denn alle Menschen teilen im letzten dieses Schicksal, ganz unabhängig davon ob ihre Behausung ein Zelt, eine Hütte oder ein Steinhaus ist. So oder so ist es ein Sklavenhaus.
Gott sieht SEINE Kreatur in dieser Bedrängnis. Der Nomade in der Ausweglosigkeit seiner Not lässt ihn nicht kalt. In IHM keimt der Wunsch, den Menschen aus dem Zwang der nie endenden Nahrungssuche zu befreien, aus der für ihn nur Schutzlosigkeit, Unsicherheit und Konkurrenz erwachsen. Ein neues Paradies öffnet ER ihnen: das Land, in dem Milch und Honig fließen (vgl. Ex 31,1-14). Das Ende von Schutzlosigkeit, Unsicherheit und Konkurrenz. Und Gott selbst nimmt es in die Hand, dass das Volk dieses Land findet, dass es ankommt. Diese Initiative Gottes schweißt aus Nomadenstämmen ein Volk zusammen.

Donnerstag, 6. September 2007

Gelassen loslassen (Lk 14, 25-33)

Kann man sich mit einem Verlust aussöhnen? In „Verlust“ steckt „verlieren“; in „verlieren“ hören wir „Niederlage“, in „Niederlage“ steckt „darniederliegen“. Herbe Verluste bringen uns an den Rand der Existenz.
Verluste sind vielfältig. Da verliert jemand im Tod seinen geliebten Partner oder das Kind und damit den zentralen Bezugspunkt des Lebens. Da verliert jemand seine Firma, und damit sein Auskommen sowie alles, was er sich in den Jahren erarbeitet hat, weil die Zahlungsmoral der Kunden katastrophal ist. Da verliert jemand die Gesundheit, weil ein anderer fahrlässig gehandelt hat. Da verliert ein anderer seinen guten Ruf, weil es Neider gibt, die Lügen über ihn verbreiten. Kann man sich mit solchen Verlusten aussöhnen? Kann man zu dem Punkt kommen, an dem man sagt: Ich nehme mein Schicksal an, höre auf mit Trauer und Klage, klettere aus dem tiefen Loch, in das ich gestoßen wurde und wage einen komplett neuen Anfang? Jeder spürt, was für ein gewaltiger, nicht selten überfordernder Schritt da anstünde. Und gerade die Verluste, die einen unverschuldet treffen, die einem widerfahren, sind die härtesten. Echte Verluste sind traumatisch.
Jedes menschliche Leben kennt solche Verluste und Niederlagen. Niemand ist davon ausgenommen, irgendwann auf diese Frage zu stoßen, wie man mit ihnen umgehen kann, wie man wieder aufsteht, wenn man so darniederliegt, wie man loslässt, ohne den Halt zu verlieren.
Loslassen ist nicht unbedingt eine allgemein menschliche Stärke. Nicht wenige tun sich ja schon unendlich schwer, den Keller zu entmüllen, weil sie glauben, was sie da bunkern, irgendwann noch einmal unbedingt brauchen zu können. Und wer sich hier schon überfordert sieht, was macht der nur, wenn ihn ein Verlust richtig überfällt?
Loslassen müssen gehört zu unserem Alltag. Nichts Irdisches ist auf Dauer, alles ist vorläufig, begeleitet unser Leben nur eine Zeitspanne lang. Ja, für unser Leben selbst trifft es genauso zu. Hinfälligkeit und Vergänglichkeit sind nicht außerordentliche Betriebsunfälle des Lebens, sondern die Regel. Dem Loslassen, dem Verlust, der Niederlage muss man sich stellen, sonst überrennen sie einen. Loslassen gehört zu unseren lebenswichtigen Lektionen. Loslassen sollten wir bewusst üben. Hier ist die Tür zum Verständnis, warum Jesus uns im Evangelium uns auffordert, in seiner Nachfolge auf unseren ganzen Besitz zu verzichten (V. 33), d.h. nichts und niemanden als Besitz zu betrachten und zu behandeln. Aussöhnung mit Verlust gelingt dort, wo er nicht als Niederlage missdeutet wird. Nur wer loslässt, wird offen für Neues. Nur wer offen ist, wird ein Geschenk wahrnehmen. Nur wem das gelingt, der hat nichts zu verlieren und wird aus der Hand Gottes alles gewinnen.

Donnerstag, 30. August 2007

Die Stärke sympathischer Bescheidenheit (Lk 14, 1. 7-14)

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr!“ – sie kennen sicher dieses geflügelte Wort. Die Sache dahinter ist im Blick auf das Menschlich-Allzumenschliche schon ein bisschen zwiespältig. Auf der einen Seite empfinden wir bescheidene Menschen als äußerst angenehme Zeitgenossen in ihrer zurückhaltenden Art, die zugleich aufmerksam und zuvorkommend ist; Menschen, die mit wenigem zufrieden sind und sich nicht mit Protz und Aufgeblasenheit präsentieren müssen. Auf der anderen Seite verrät das geflügelte Wort, dass viele für sich ganz bewusst nicht in Anspruch nehmen, bescheiden sein zu wollen und so für andere auch solch angenehme Zeitgenossen zu sein. Statt Zurückhaltung Ansprüche, statt Aufmerksamkeit Geltungsdrang, statt Großmut Übermut.
Wenn Bescheidenheit echt ist, ist sie ein Ausdruck von Selbstbewusstsein. Von sich selber absehen können und anderen getrost den Vortritt lassen zu können setzt festes Stehen in sich selbst voraus, auch wenn es oft oberflächlich von außen gesehen als Schwäche ausgelegt wird. Dagegen nicht bescheiden sein zu können, für sich selbst immer das Beste und Höchste zu beanspruchen, verrät übersteigerte Angst, ohne all dieses zu kurz zu kommen, Geltung einzubüßen, vor anderen nicht bestehen zu können. So verrät ein solches Gebaren Minderwertigkeitskomplexe, auch wenn es äußerlich dazu verführt, es als vermeintliche Stärke zu missdeuten, die anziehend und nachahmenswert erscheint.
In diesem Spiegel mag man das Evangelium lesen. Da suchen sich bei einem Festmahl Gäste von sich aus die Ehrenplätze aus und lassen sich dort nieder. Ob sie auch dahingehören, heißt das nicht. Ein Fall von Selbstüberschätzung, die peinlich endet, wenn man aufgefordert wird, den Platz für den zu räumen, dem er wirklich gebührt. Was ziemlich dreist beginnt, endet erniedrigend.
So lehrt Jesus die Gäste, dass man Ehre sich nicht nehmen kann, sie wird einem zuteil. Bescheidenheit kann warten bis sie ihr zuteil wird. Und Bescheidenheit weiß, dass Ehre einem dann zuteil wird, wenn man die eigene Ehre nicht sucht, sie vielmehr anderen schenkt.
Wir können die Brücke schlagen hin in den Abendmahlssaal, in dem der Meister Jesus seinen Jüngern in der Demutsgeste der Fußwaschung anschaulich macht, dass er unter ihnen ist wie einer, der dient (Lk 22, 27), der für uns den letzten Platz einnimmt. Und „darum hat ihn Gott über alle erhöht!“ (Phil 2,9)

Mittwoch, 22. August 2007

Barmherziges Ernstnehmen und ernst genommene Barmherzigkeit (Lk 13, 22-30)

„Katholiken haben es gut. Sie können sündigen, wie sie wollen und gehen anschließend einfach beichten und dann können sie munter weitersündigen!“ – Eine solche Haltung ist vornehmlich zum Aufhänger für klischeehafte Katholikenwitze mutiert. Zudem nutzt leider heutzutage kaum noch ein Katholik die Möglichkeit der Beichte. Wenn man jedoch ernsthaft von der All-Barmherzigkeit Gottes spricht, von seiner grenzenlosen Bereitschaft zur Vergebung und seinem umfassenden Heilswillen, mag eine solche Kommentierung durchaus nachvollziehbar erscheinen. Entsprechend ernsthaft formuliert lautet die Anfrage: Was soll ich mich in diesem Leben so anstrengen und einschränken, wenn am Ende doch alle das Heil empfangen?
Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, ob es heutiger „political correctness“ entspricht, es auszusprechen, oder nicht: Jesus stellt diese Selbstverständlichkeit, nach halbherzig gelebter Christlichkeit am Ende wohl schon noch irgendwie sich durch Gottes Barmherzigkeit ins Heil durchzuwursteln, deutlich in Frage. Der Weg zum Heil ist eine enge Tür, die der Herr auch zusperrt und manchen nicht durchlässt. Ja, am Ende will ER jene nicht einmal mehr kennen, die meinen, trotz getanem Unrechts doch ein Recht auf Durchlass zu haben. An den Worten Jesu (V. 25-27) gibt es nichts herumzudeuteln. Ja noch deutlicher: Alle anderen kommen rein, du jedoch nicht! – so mag man das Wort von denen aus allen vier Himmelsrichtungen (V.29) umschreiben können, das Jesus seinen Zuhörern zuruft.
Wir sagen von Gott, dass er nicht oberflächlich auf den Menschen schaut, sondern die Herzen der Menschen erforscht (vgl. z.B. Ps 139; Jes 29,13; Apg 15,8; Röm 8,27). Das heißt natürlich auf der einen Seite, dass er schon in einem der hintersten Herzkammern irgendwo den Hauch einer guten Absicht aufspüren wird, die er zu würdigen weiß. Das heißt auf der anderen Seite aber auch, dass er das Fehlen jeglicher Ernsthaftigkeit in der Nachfolge genauso spürt. Barmherzigkeit heißt, nach Jesus, keineswegs, dass ein im letzten schwächlicher Charakter sich einfach so veräppeln lässt. Gott in seiner unbegreiflichen Liebe nicht ernst zu nehmen war schon immer eine der großen Versuchungen des Menschen. Aber da wir ja auch nicht damit leben können, wenn wir nicht ernst genommen werden, ist das auch wieder ein feiner Zug Gottes, wenn wir so darauf bauen können, dass ER uns ernst nimmt.

Dienstag, 21. August 2007

Sehend gemacht, um Betriebsblindheit zu heilen (Joh 9, 1-41)

Ich sehe was, was du nicht siehst…! – ein Kinderspiel. Einer nimmt etwas in den Blick, der andere soll es durch geschicktes Erfragen erraten. Beide Spieler sehen dasselbe, doch ihre Aufmerksamkeit ist auf Unterschiedliches gerichtet in einer komplexen Wirklichkeit. Das Spiel lehrt uns, sehen zu lernen, was dem anderen im Augenblick wichtig ist. Unsere Aufmerksamkeit soll sich auf das richten, was den anderen interessiert.
Den Nächsten in den Blick zu nehmen – ein Kinderspiel? Beileibe nicht! Das Geschehen des Evangeliums zeigt uns, dass es keine selbstverständliche Fähigkeit ist. Wir müssen es von Jesus lernen.
Ein Blinder wird dank Jesus sehend. Jesus hat dessen Leiden wahrgenommen und ihn geheilt. Eine Sensation, die höchste Aufmerksamkeit erregt. Doch in welche Richtung? Die Frage, warum er blind geboren wurde, oder wer gesündigt hat, dass er blind ist, wird im Vorfeld von den Jüngern erörtert (V.2). Ist der Geheilte überhaupt der Blinde, den doch jeder kannte? So fragen sich die Nachbarn verwundert, und: Wer hat das Wunder vollbracht? (V.8-10). Und die Pharisäer streiten sich: Durfte die Heilung am Sabbat vollzogen werden und ist der Heiler Jesus nicht deswegen vielmehr ein Sünder? (V.13ff)
Merkwürdige Fragen – niemand scheint in der Lage zu sein, das Wunder, das geschehen ist, als solches wahrzunehmen. Keiner sieht den vormals Kranken in der glücklichen Wendung seines Schicksals. Sogar die Familienangehörigen halten sich seltsam verschlossen (V.18-23).
Statt Freude und Erleichterung scheinen tausend Blockaden und Ablenkungen in den Menschen zu sein, die dazu führen, dass sie sich dem Geschehen nicht öffnen können. Und den vormals Blinden nimmt niemand ernst. Sogar Schimpf und Häme muss er über sich ergehen lassen (V.28), bis sie ihn am Ende aus der Synagoge sogar hinaus stoßen (V.34)
Nicht nur Kranke, jeder Mensch braucht es überlebens-notwendig, dass man ihn wahrnimmt, ihn ernst nimmt, auch in seiner Sehnsucht nach Heil und Heilung. Der Nächste, der jeder sein kann, gehört in den Mittelpunkt, und zwar ungeteilt. Was braucht er? Was kann ich für ihn tun? Was kann Jesus für ihn tun?
Jeder wird wohl erzählen können, wie man sich fühlt und was in einem vorgeht, wenn man sich übersehen fühlt, wo man alleine nicht weiter kommt, was man zur Linderung braucht und was nicht. Genauso wichtig ist es, dass der Hilfsbedürftige sich der Hilfe öffnet, die sich ihm bietet, und sie annimmt.
Ich sehe was, was du nicht siehst…! – wer am Ende zu den Sehenden gehört oder zu den Blinden, bleibt schwierig auszumachen. Bis heute. Lassen wir uns von Jesus diesen ungeteilten Blick der liebenden Aufmerksamkeit auf den Nächsten lehren. Sich der Wirklichkeit stellen ist halt keine Frage von funktionierenden Organen. Das gilt noch viel mehr für die Wirklichkeit Gottes.

Samstag, 18. August 2007

Wie Jesus in uns die Entscheidung „schürt“ (Lk 12, 49-53)

Sie kennen sicher das sprichwörtliche „Mit dem Feuer spielen“, oder die Redeweise, dass Angst, Krieg, Aggressionen, ja jedwede negativen Emotionen „geschürt“ werden, was ja auch ein Wort ist, das zum Feuer gehört. Wo Menschen „mit dem Feuer“ spielen, sei es, dass sie ganz handfest zündeln oder es im sprichwörtlichen Sinne tun, hat das in der Regel zerstörerische Konsequenzen. Sei es aus Leichtsinn oder mit voller Absicht, die Folgen sind verheerend. Wer mit dem Feuer spielt, geht bis an die Grenzen, ja überschreitet sie. Das Erleben Macht und das Ausleben von Machtgelüsten spielen hier eine wichtige Rolle, meistens gepaart mit grober Selbstüberschätzung. „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!“ – so ruft es der verzweifelte Zauberlehrling aus in Goethes berühmten, gleichnamigen Gedicht, und so mancher mit ihm, der in einer ähnlichen Patsche sitzt.
Das Evangelium – beileibe keine leichte Kost – weiß zu berichten: Auch Jesus muss zündeln, muss auf SEINE Art mit dem Feuer spielen, und das mit aller Konsequenz, die es zeitigt. ER ist gekommen, so sagt ER, „Feuer auf die Erde zu werfen!“ (V. 49), und das nicht aus Versehen, sondern ganz bewusst, ganz entschieden: „Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (ebd.) ER weiß: SEINE Lehre, SEINE Leiden, SEIN Tod am Kreuz und SEINE Auferstehung werden nicht alle Probleme dieser Welt in Harmonie auflösen. Sie fordern von jedem einzelnen Entscheidung und Konsequenz der Nachfolge. Nicht alle werden sich dem stellen. Nicht alle werden es fassen. Der Riss wird mitten durch Familien und Freundschaften gehen. Die Folge ist nicht Frieden sondern Spaltung.
Das Zündeln Jesu ist aber keines um der Zerstörung willen oder gar eines, das aus Selbstüberschätzung heraus geschieht. ER, der Sohn Gottes, geht den Weg des Heils, den der Gott, der Vater bestimmt hat. Und wir Menschen sind auf diesem Weg keine willenlosen Opfer am Wegesrand, denen das Heil aufgenötigt und übergestülpt wird. Wir haben uns vielmehr zu stellen, wo Gott uns herausfordert und nach unserer Entscheidung fragt. Wir sind gut beraten, uns in dem Feuer dieser Entscheidung zugleich dem Feuer SEINES Geistes zu öffnen, der uns dazu Kraft und Wegweisung schenkt.

Freitag, 17. August 2007

In Gottes zielsicherer Talentschmiede (Mt 25, 14-30)

Im Leben ist es wichtig, sich und einander immer wieder Rechenschaft zu geben über das eigene Tun und Lassen, will man nicht einfach nur dahin treiben. Wir haben Ziele, die wir erreichen möchten. Die meisten davon erreichen wir nicht von heute auf morgen. Vielmehr braucht deren Verwirklichung oft Zeit, Geduld und planmäßiges, bewusstes Vorgehen. Aber gerade daran mangelt es uns immer wieder. Phasenweise fehlen uns der lange Atem, der Mut zum nächsten Schritt oder die Orientierung. Und dann verlieren wir unsere Ziele aus den Augen. Oft ist das verbunden mit einer inneren Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit. Denn echte Ziele, die unsere Sehnsucht setzt, bleiben zumindest unbewusst immer präsent. Und so leiden wir an innerer Leere, wenn wir unsere Ziele vernachlässigen.
Von Jesus Christus wissen wir, dass Gott mit dieser Welt, mit ihrer Geschichte, ja mit dem Leben jedes SEINER Geschöpfe ein großes Ziel hat: das Reich Gottes. Als Christen, in der Nachfolge Jesu, machen wir uns dieses Ziel Gottes zu Eigen: die Vollendung alles Geschaffenen in der Zivilisation der Liebe, in der Gott alles in allem ist. Diesem Reich Gottes soll, nach Jesus, unsere erste Sorge gelten (vgl. Mt 6,33). Unsere Berufung ist es, durch unser Leben an der Verwirklichung dieser Vision Gottes nach Kräften mitzuwirken, die in der Menschwerdung, im Wirken, Leiden, Sterben und Auferstehen Christi angebrochen ist. Jeder hat dazu von Gott Fähigkeiten und Talente bekommen, die es gilt, für die Sache Jesu einzusetzen.
Die Vollendung dieses Reiches Gottes, die im letzten Gott selbst bewirken wird in der Wiederkunft SEINES Sohnes, steht noch aus. Wir leben in der Spannung des „Schon und Noch nicht“. In solch einer andauernden Spannung die Spannkraft nicht zu verlieren, auszuleiern wie ein altes, verbrauchtes Gummiband, ist eine Gefahr und Herausforderung zugleich. Ihr begegnen wir, indem wir uns Rechenschaft geben, immer wieder Bilanz ziehen, eine Standortbestimmung machen: Wo stehe ich wirklich im Erreichen Gottes´ oder meiner persönlichen Ziele?
Das Gleichnis zeigt uns, dass wir diese Rechenschaft nicht nur uns selbst, sondern vor Gott ablegen. Der Herr wird uns fragen, was wir aus unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten gemacht haben. ER erinnert uns daran: Wir sind nicht die Besitzer der Erde und unseres Lebens. Wir sind SEINE Sachwalter, Beauftragte, Gesandte. Auf Christus hin sind wir geschaffen (vgl. Kol 1,16). Wir vergessen, verdrängen und verleugnen schnell. Wer sich jedoch erinnert und diese Wahrheit über unser Leben ernst nimmt, wird merken, wie er zielbewusster und so erfüllter lebt.

Mittwoch, 15. August 2007

Gebenedeite Jasager (Lk 1, 26-38)

Jasager haben nicht unbedingt einen guten Ruf. Man sagt ihnen nach, sie nicken einfach nur alles ab, was Autoritäten ihnen vorsetzen und überlassen denen auch das Denken. Dabei ist weniger das JA sagen an sich ein Problem, sondern eher die Frage, wem man ein solches Vertrauen zuteil kommen lässt. Von hier aus wage ich zu sagen, dass wir Christen – Dank sei Gott – Jasager sein dürfen, positive Menschen bis in die Wurzeln unseres Seins. Warum?
Wissen Sie, was in meinen Augen das Großartigste ist an unserem christlichen Glauben: dass er das große, unüberhörbare JA verkündet. Eine positive, lebensbejahende Botschaft. Gott sagt JA zu SEINER Schöpfung, insbesondere auch zu SEINER Schöpfung Mensch (Gen 1, 31). Gott selbst sagt dann noch SEIN JA, wenn die Menschen sich von IHM abwenden und schuldig werden (2 Tim 2, 13) Und ER sagt SEIN JA immer wieder neu, wenn wir uns IHM zuwenden, vielleicht nach langen Irrwegen und Durststrecken. (siehe z.B. das Gleichnis vom Verlorenen Sohn oder Barmherzigen Vater in Lk 15, 11-32) Gottes JA ist nach menschlichen Maßstäben ein unbegreifliches JA. Dieses JA Gottes ist in SEINEM Sohn Jesus Christus selbst Mensch geworden. Jesus hat dieses JA Gottes bis in die letzten Winkel des Lebens durchbuchstabiert und gelebt. Er hat uns gezeigt, dass dieses JA über dem Menschen auch in Leid und Tod noch in vollem Umfang gilt. SEINE Menschwerdung und SEINE Auferstehung von den Toten überhaupt sind doch ein einziges, großes JA zum Leben.
Dieses JA feiern wir in jeder Heiligen Messe. Und wir schauen immer wieder auf einen Menschen, der in besonderer Weise den Mut hatte, auf dieses JA Gottes ihr JA zu sprechen: Maria: Maria sagt JA zum Heilsplan Gottes und stellt sich IHM ganz zur Verfügung. Ihr JA ist auch ein unbeschränktes, ganz und ehrlich gemeintes JA. Das ist beispielhaft die Antwort des Glaubens auf das Wirken Gottes. Darin ist sie uns Vorbild. Und wir sind eingeladen, mit ihr zusammen unser JA zu Gott, zu seinen Wegen und Plänen mit uns, JA zu Jesus Christus zu sagen. Wer den Mut zu diesem JA hat, für den wird Leben zu einem Leben in Fülle.
Wenn wir JA sagen, zu uns selbst, zum Nächsten, zum Fremden, zu Gott, dann tun wir das eben nicht blauäugig aus dem hohlen Bauch heraus. Wir können es tun, weil über uns das große JA gesprochen ist. Auch Gott ist ein Jasager. Maria bekommt ihr Angenommensein direkt ins Gesicht gesagt, bevor Sie den Auftrag bekommt: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ – so spricht sie der Engel an (V. 28). Und so lockt ER auch uns, es IHM und der Gottesmutter gleich zu tun.

Sonntag, 12. August 2007

Heil-sames Motivationstraining (Joh 6, 1-15)

Im Alltag eines jeden von uns warten Aufgaben, die bewältigt werden müssen, Probleme, die man vor sich herschiebt und Sorgen, die einen belasten. Das gilt genauso im Großen: auch unsere Gesellschaft hat dicke Brocken zu wälzen: Reformen, Integration, aber auch Krisenherde, um nur einige wenige zu nennen, die sich tagtäglich in den Schlagzeilen breit machen.
Wir würden uns oft gerne einfach nur ausklinken, Augen und Ohren zumachen und unsere Ruhe haben. Vor so mancher Aufgabe stehen wir wie Zwerge vor einem unbezwingbaren Riesen. Die achselzuckende Bemerkung: „Was kann ich als Einzelner da schon tun?“ fällt oft. Auf dem ersten Blick mag sie berechtigt sein. Genauer hingesehen ist sie eine Ausrede, eine Flucht. Wenn man auch so manches Problem nicht im Ganzen lösen kann, so gehen doch kleine Schritte in die richtige Richtung fast immer – Schritte des nachbarschaftlichen Miteinanders, der Verantwortung gegenüber der Umwelt, der Beilegung von Konflikten, der Ehrlichkeit in der Anspruchnahme staatlicher Mittel, usw.
Nehmen wir uns den kleinen Jungen aus dem Evangelium zum Vorbild. Das Problem ist riesig: 5000 hungrige Menschen und weit und breit nicht annähernd genügend zu essen für sie. Der kleine Junge ist unbefangen genug und wirft seine fünf Gerstenbrote und zwei Fische in die Waagschale. Vordergründig ein Tropfen auf den heißen Stein, als Lösungsvorschlag nicht ganz ohne Tragikomik. Er hätte sie – trotz der Entdeckung durch den Apostel Andreas -zurückhalten können, um wenigstens seine Mahlzeiten zu sichern. Aber er ist kindlich frei, genau das nicht zu tun und sieht von sich ab zugunsten so vieler.
Mit diesen Broten und Fischen wirkt Jesus das Wunder der Speisung, dass zum Abbild wird für IHN selbst, der das Brot des Lebens ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben, wird er wenig später sagen (vgl. Joh 6, 48-58). Ein Wunder, das Vorausbild ist für die Hingabe seines Lebens am Kreuz, wo auch die Hingabe eines Einzelnen, SEINE Hingabe, zum Heil vieler wird. Nicht nur das Brot ist hier ein Gleichnis Jesu, der kleine Junge ist es irgendwie auch.
Für uns, die wir als Einzelne viele große Probleme nicht lösen können und auch das Heil der Menschen nicht selber machen können, hören wir aus diesem Geschehen zweierlei heraus: In Jesus wird uns Heil und Leben von Gott im Überfluss geschenkt. Und wo wir uns aus dieser Erkenntnis im Rahmen unserer Möglichkeiten für SEINE Sache einsetzen, dürfen wir darauf bauen, dass Gott es vollendet. Also: verstecken gilt nicht. Packen wir an, was Getan werden muss. Und lassen Sie sich nie den Mut nehmen, eine Aufgabe anzupacken, egal wie groß sie auch sein mag.

Samstag, 11. August 2007

Bei Gott in die Schule gehen (Joh 6, 41-51)

Möchten Sie noch einmal wieder zur Schule gehen? Viele on Ihnen sagen sicher ganz schnell und ganz entschieden: Nein! Oder wenn Du noch Schüler/in bist: Gehst Du gerne zur Schule?
Die Gefühle bei dieser Frage mögen zwiespältig sein. Einerseits hat diese Zeit ihre unbeschwerten Seiten, andererseits aber auch unbestreitbar ihre mühseligen Aspekte. Nur die wenigsten sind „Überflieger“, denen das Lernen stets leicht von der Hand geht. Und doch: Lernen an sich ist etwas Notwendiges. Und wenn man neugierig ist auf die Dinge des Lebens und ihre Geheimnisse, dann ist Lernen spannend. Das Lernen im Leben hört niemals auf.
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“ – Ganze Generationen haben diesen Satz zu hören und zu spüren bekommen. Heute ist er etwas aus der Mode gekommen, aber viele meinen, die Erkenntnis als solche sei ebenso notwendig, wie das Lernen selbst. Jeder fängt klein an und arbeitet sich hoch. Man kann nicht alles sofort und aus sich heraus.
„Und alle werden Schüler Gottes sein:“ (V. 45). Mit diesem Wort zitiert Jesus den Propheten Jesaja (Jes 54,13). Wie geht es Ihnen beim Hören dieses Satzes? Bei Gott in die Schule gehen – das ist ein faszinierender Gedanke. Was wir wohl bei IHM lernen? Lesen, Schreiben und Rechnen wohl kaum zuerst, aber Barmherzigkeit, Liebe, Konsequenz, Teilen, Beten, Hören, Frieden und vieles mehr: alles elementar wichtige Lektionen, die uns wahrhaft menschlich machen, auf geradezu göttliche Art menschlich. Alles Fähigkeiten und Eigenschaften, die echte Stärke sind und dem Leben Weite und Gelingen schenken.
Was könnte uns besseres passieren, als dass wir uns entscheiden würden, wieder in die Schule zu gehen, und das ganz bewusst – bei Gott?! Auch wenn wir bei manchen der göttlichen Fächer vielleicht ganz klein anfangen müssten, es würde sich bestimmt lohnen, für uns, für alle, mit denen wir zusammen leben, für die ganze Welt. Und Gott ist kein Lehrer, der von oben herab lehrt, sondern in Jesus zu uns runter kommt, und vorlebt, was er lehrt. Und was überzeugend ist, lernt man nicht unter Druck, sondern aus Neigung.

Donnerstag, 9. August 2007

In der Freude an Gott sich selbst begegnen (Phil 4, 4-7)

Was macht Sie stark? Was schenkt Ihnen Selbstvertrauen und Lebensfreude? Was lässt Sie zuversichtlich nach vorne schauen? Wir sollten es regelmäßig vornehmen, uns selbst in diesen Fragen ganz persönlich Rechenschaft zu geben. Das ist eine wichtige Standortbestimmung, und zwar mit ganz positivem Vorzeichen.
Aus welchen Quellen lebe ich eigentlich? Mancher mag seine Partnerschaft oder seine Familie nennen, jemand anderes seine Charismen und Aufgaben, die ihn erfüllen und begeistern; wieder ein anderer erzählt von Freundschaften oder seinem Glauben. Das sind Dinge, die unserem Leben Halt und Tiefe geben, die uns mit Hoffnung erfüllen, die uns die Kraft geben zu einem immer neuen nächsten Schritt. Wir haben allen Grund, uns diese Dinge immer wieder neu vor Augen zu führen und für alles das Dank zu sagen, was solche Freude in unser Leben trägt: Freude, die uns stark macht, die Selbstvertrauen, Gelassenheit und Vertrauen in eine gute Zukunft schenkt. Sie ist eine echte Lebensquelle und damit für uns das, woran wir Lebensqualität festmachen.
So wie der hl. Paulus den Philippern zu verstehen gibt, haben sie zu jeder Zeit Grund zur Freude. Echte Freude hat immer einen tieferen Grund. Doch was der Grund zur Freude sein, der so beständig ist, dass er immer da ist? Für Paulus ist der tiefe Grund dieser beständigen Freude der Herr selbst (V.4). Unser christlicher Glaube ist zutiefst davon überzeugt, dass solche echte tiefe Freude im letzten eine einzige Ursache hat, aus der alle anderen Dinge, die uns Freude schenken, strömen: Gott. SEINE Nähe, der direkte Zugang zu IHM im Gebet, der tiefe Friede, den SEINE Zuwendung schenkt: das ist die Quelle echter und beständiger Freude, die immer Freude am Dasein, Freude am Leben ist.
Nicht zuletzt die Psalmen sind voll von dieser Überzeugung: „Du zeigst mir den Pfad zum Leben. Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle“ (Ps 16,11); „So will ich zum Altar Gottes treten, zum Gott meiner Freude“ (Ps 43,4); „Deine Vorschriften sind auf ewig mein Erbteil; denn sie sind die Freude meines Herzens“ (Ps 119,111), um nur einige wenige Verse zu zitieren, die auch unser Gebet sein können.
„Macht euch keine Sorgen. Die Freude am Herrn ist eure Stärke“ – so fasst es der Prophet Nehemia zum Trost für ein arg gebeuteltes Volk zusammen und lädt sie ein zum Fest. (Neh 8,10) Freude an Gott ist nicht kurzfristiges Vergessen der Schwere des Lebens durch spaßige Ablenkung. Freude an Gott kann vielmehr unser Leben im Ganzen prägen und verwandeln. Sie ist echtes gläubiges Lebensgefühl und es gibt keine beständige Lebensqualität ohne sie. Ihrer nachzuspüren ist die eigentliche Standortbestimmung.

Dienstag, 7. August 2007

Wie barfüssige Ehrfurcht Fremdes vertraut macht (Ex 3, 1-15)

Wie gesellschaftliche Regeln des Anstandes sich doch wandeln und kulturell unterschiedlich sind! In unseren Breiten schickt es sich z.B. nicht für einen Herrn, in der Kirche den Hut aufzulassen. Dagegen ohne Kopfbedeckung eine Synagoge zu betreten ist undenkbar. Würden Sie barfuss in eine Kirche gehen? Sie meinen, das ziemt sich nicht?
Mose soll sich die Schuhe ausziehen, denn der Ort, wo er steht und die Begegnung mit Gott hat, ist heiliger Boden (V.5). Er ist heiliger Boden durch die Gegenwart Gottes. Gott erscheint Mose in Gestalt eines Engels in einem Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt (V.2). Und ER verlangt von Mose, dass er sich mit unmittelbarem Erdkontakt auf seine Füße stellt, wenn ER mit ihm redet.
Wenn Gott uns von Angesicht zu Angesicht begegnet, dann ist und bleibt ER doch der ganz Andere, ist unserem Zugriff entzogen, selbst wenn ER uns ganz nahe kommt. Es klingt paradox: ER ist und bleibt uns "fremd-vertraut". Wir leben in SEINER Gegenwart, sprechen regelmäßig mit IHM, haben ein Bild, eine Vorstellung von IHM in uns. Doch wenn ER uns dann ganz konkret ganz nahe kommt, zeigt ER SICH uns ganz anders, als unsere Vorstellungskraft es fassen kann. Das fordert von uns eine große Portion Offenheit, IHM an dem Ort und auf die Art zu begegnen, wie ER es vorgibt.
Diese Gegenwart verlangt von uns Menschen die Haltung der Ehrfurcht. Erfurcht ist eine Haltung, die vielen Zeitgenossen heute fremd ist wie das Wort selbst. Gemeint ist eine Art Achtung und Respekt vor SEINER Größe und SEINEM Geheimnis. Wir Katholiken üben sie z.B. in unserer Liturgie im Gotteshaus, auch wenn sie nie nur auf diesen Bereich beschränkt bleiben darf. Wir machen eine Kniebeuge vor den leibhaftig anwesenden Herrn im Tabernakel. Wir knien nieder bei der Wandlung oder stehen ehrfürchtig beim Hören der Worte und Taten Jesu im Evangelium, das ihn in unserer Mitte lebendig werden läßt. Und wenn sogar die Begegnung mit jedem Menschen zu einer Gottesbegegnung werden kann (siehe Mt 25,40), dann wird Ehrfurcht zu einer Grundhaltung des Menschen bis hinein in den Alltag.
So lernt Mose seinen Gott kennen. Er ist der „Gott der Väter“ (Vv 6+13). Wir stehen in unserem Glauben in der Linie unserer Vorfahren, die uns den Glauben überliefert haben. Niemand kann sich seinen Glauben selber machen. Er ist uns geschenkt. Echte Gotteserfahrungen haben nicht nur Bedeutung für einen einzelnen, der sie erlebt. Sie tragen Generationen. Und er ist der „Ich bin da“ (V.14). SEINE Gegenwart ist SEIN Name, d.h. SEIN Kennzeichen, SEIN Wesensmerkmal schlechthin. Ein deutliches Signal an alle, die IHN leugnen oder behaupten, ER sei in dieser Welt nicht mehr anwesend und hätte SICH schon abgewandt. Doch das widerspräche SEINEM Wesen. Wer ehrfürchtig mit beiden Beinen auf der Erde steht, dem wird das nicht verborgen bleiben.

Sonntag, 5. August 2007

Wohlige Wärme statt heißer Luft (Koh 1,2; 2, 21-23)

Kennen Sie das auch: Kleinigkeiten können eine Wichtigkeit bekommen, die ihnen gar nicht zusteht. Da fängt z.B. man an, sich wegen einer Lappalie in die Haare zu bekommen und daraus entwickelt sich ein handfester Streit, der dafür sorgt, dass man wochenlang nicht miteinander spricht. Wichtigkeiten richtig einzuordnen und zu gegebener Zeit „Fünfe gerade sein lassen“ zu können, sind eine echte Lebenskunst. Die eigene Meinung, der eigene Lösungsvorschlag sind und bleiben oft eine unter mehreren denkbaren und praktikablen. Andere können auch recht haben. Und alles haben muss man nicht, schon gar nicht immer Recht. So vielem jagt man nach mit einem Feuereifer, der die Sache gar nicht rechtfertigt. Welche selbsternannten „Prinzipien“, die eigentlich beliebig austauschbar sind, verteidigt man mit Zähnen und Klauen!
Auf dem Teppich bleiben, die Kirche im Dorf lassen, sich selbst und das eigene Vermögen richtig einschätzen, anderen auch zugestehen, dass sie gute Ideen haben, und den Eifer an der richtigen Stelle zum Einsatz bringen – was würde das eine Gelassenheit in unser Leben bringen! Und das an Stelle von so viel heißer Luft, die von uns an so vielen Stellen erzeugt wird und doch nicht mehr ist als eine kolossale Energieverschwendung, mit der man sich gegenseitig nur einheizt, ohne dass es wirklich warm wird.
Wir sollten spätestens alle zwei Tage bei Kohélet reinschauen und uns von ihm erinnern lassen: Was ist nicht alles Windhauch?! Auch bei mir selbst. Von Papst Johannes XXIII wird berichtet, dass er über und zu sich sagte: „Giovanni, nimm dich nicht zu wichtig!“ Er hat es nicht nur zu sich gesagt, er hat es auch so gemeint und danach gehandelt. Eine notwendige Demutsübung, die so manche Schräglage in den Wichtigkeiten zu Recht rückt und uns auf die Plätze verweist. Anstatt heiße Luft zu produzieren sollten wir lieber dort Dampf machen, wo wir wirklich gefragt und dran sind.

Samstag, 4. August 2007

Mathematik der Göttlichen Liebe (Joh 16 12-15)

Gott ist ein Geheimnis, das wir Menschen nie ganz ergründen werden. Wir sind angewiesen auf das, was Gott uns von SEINEM Wesen offenbart, was ER uns von SICH zeigt. Naturwissenschaftliche Logik hilft da nicht viel weiter, auch wenn die Gegenwart Gottes als solche durch die Geschöpfe und die Größe ihrer wunderbaren Vielfalt mit Sicherheit erkannt werden kann. Auch die Lehre von der Göttlichen Dreifaltigkeit, die ganz zentral ist für unser christliches Gottesbild - wir meditieren es im Grunde mit jedem Kreuzeichen „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes…“ - ist mit naturwissenschaftlicher Logik nicht herzuleiten. Das 1+1+1 = 1 und nicht 3 sein soll, lässt dem Mathematiker die Haare zu Berge stehen.
Doch in der Geschichte Gottes mit dem Menschen, wie sie uns in der Heiligen Schrift überliefert ist, hat Gott SICH den Menschen im wesentlichen in drei Personen offenbart: als Schöpfer und Vater, der alles in allem ist; als Sohn in Jesus Christus, der eins mit dem Vater ist und dem der Vater alles übergeben hat (V.15), der eben nicht nur ganz Mensch ist, sondern zugleich ganz Gott; und als Heiliger Geist, der aus beiden hervorgeht und uns an die Botschaft erinnert. So ist er das Lebensprinzip, die Quelle und der Motor der Kirche (vgl. ebd.). Und diese Drei sind eben nicht nachträglich durch kluge Theologenköpfe zusammengewürfelt. Der Evangelienabschnitt zeigt uns, wie Jesus selbst alle voneinander unterscheidet und doch zusammen eint.
Gilt zudem nun noch die Grundaussage aus der Gotteslehre Israels, dass es nur einen Gott gibt – vgl. Dtn 6,4 - so ist die logische Konsequenz, dass der eine Gott sich in drei Personen entfaltet. Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist bleiben in dieser Dreiheit trotzdem der eine Gott. Und diese drei Personen in dem einen Wesen Gottes stehen in unendlicher Liebe zueinander, in einem permanenten Austausch. Diese strömen auf uns, die Geschöpfe, aus und wir sind in diese Liebe und diesen Austausch hinein genommen.
Das sind theologische Gedanken, die manchen schwer und abstrakt anmuten. Jedoch sind es gut begründete Versuche, das eigentlich unsagbare und geheimnisvolle in Worte zu kleiden. Wir sind eingeladen, uns dem Geheimnis Gottes mit Ehrfurcht zu nähern.

Freitag, 3. August 2007

Unter neuen Vorzeichen in eine gemeinsame Zukunft (Lk 7, 36-50)

Stellen Sie sich vor, es bahnt sich in Ihrem Leben an, dass sich etwas kolossal, von Grund auf sozusagen, verändert. Es ist, als stünde ein neuer Lebensabschnitt bevor. Sind Sie dann eher der Typ, der in die neue Situation hinein vom bisherigen so viel wie möglich hinüber retten möchte? Oder gehören Sie zu denen, die sich bemühen, sich vom bisherigen weitestgehend zu lösen, um für das Neue, das da auf Sie zukommt, offen und bereit zu sein?
Es wird wohl niemand von sich sagen, dass er entweder ganz zur einen Handlungsweise neigt oder ganz zur anderen? Mancher wird auch sagen: Das hängt davon ab, ob ich mich auf das Neue freuen kann oder ob es mir Angst macht. Und wie sehr ich im bisherigen verwurzelt bin und mich in ihm wohlgefühlt habe oder ob ich nur auf die Möglichkeit einer Veränderung gewartet habe.
Alle diese Haltungen finden wir auch im Zusammenhang mit der Kooperation und der Zusammenlegung von Pfarrgemeinden. Einige sehen eher die Chancen, andere die Risiken; einige sehen die Verluste, andere die Perspektive auf Bereicherung; einige sehen die Gestaltungsspielräume, andere die Grenzen. Und das Spektrum ist so vielfältig wie die Farben.
Das Evangelium ist ein Plädoyer für die Offenheit, für die Möglichkeiten, die Veränderung bietet, für die Chancen eines Neuanfangs, für das Aufeinanderzugehen, für das „Den Anderen an sich heranlassen“, aber auch für das Zulassen von Gefühlen, das Einander Gutes Tun, das gegenseitige Zusagen von Heil. Jesus und die Sünderin leben es vor. Sie, auf die die argwöhnischen Augen einer ganzen Stadt gerichtet sind, weil alle ihre Grenzen und Grenzüberschreitungen kennen oder zu kennen glauben - und ER, der jedem, der wirklich neu anfangen möchte, auch die Chance dazu schenkt und offen aufnimmt, gehen aufeinander zu. Sind das nicht auch die richtigen Haltungen, um unter neuen Vorzeichen in eine gemeinsame Zukunft zu gehen?

Donnerstag, 2. August 2007

Katechismus für die Westentasche (Mk 12, 28-34)

Das Leben ist kompliziert. Jede Entscheidung, die wir treffen, übersehen wir kaum in all ihren Konsequenzen. Immer wieder kommt es vor, dass wir uns eingestehen müssen: Das habe ich nicht vorhersehen können.
Auch Glauben ist kompliziert. Schwierige Glaubensinhalte, gepaart mit der Notwendigkeit eines echten Vertrauensvorschusses, fordern uns Menschen ganz. Immer wieder kommt es vor, dass wir uns eingestehen müssen: Dem Anspruch bin ich nicht gerecht geworden.
Gebote, Lebensregeln, Weisungen helfen uns, uns zu orientieren. Sie bieten uns echte Anhaltspunkte, an denen wir nachvollziehen können, ob wir mit unserem Tun und Lassen, mit unserem Glauben und Vertrauen auf der rechten Spur sind. Sie können diesen Dienst jedoch nur tun, wenn sie für uns nicht beliebig, sondern verbindlich sind. Sie brauchen Autorität. Deswegen beginnt das zentrale Doppelgebot der Liebe, das Jesus zitiert, auch mit einem wichtigen Appell: „Höre Israel!“ (V.29) Man könnte ergänzen: … und lass es dir gesagt sein!
Doch auch eine zu große Vielzahl von Geboten, Lebensregeln und Weisungen können eher alles noch komplizierter und unübersichtlich machen, als dass sie hilfreich sind. Gibt es nicht kurze, knackige Zusammenfassungen des Wesentlichen, die so einprägsam und prägnant sind, dass man sie immer zur Hand und im Herzen haben kann und die trotz ihrer Kürze doch weitestgehend Orientierung bieten?
Jesus selbst macht uns auf das Wesentliche aufmerksam: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und mit all deiner Kraft. Und: deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“ (V 30f)
Vorbehaltlose Zugeneigtheit zu Gott auf der einen Seite und die Zugeneigtheit zum Menschen aus einer gesunden Selbstannahme heraus: Wo das der Motor des Miteinanders ist, da steht wirklich die größere Ehre Gottes das Wohl und die Würde des Nächsten ganz im Mittelpunkt, da gelingt Leben.
Jetzt muss das, was uns klar vor Augen steht, nur noch gelebt werden.

Mittwoch, 1. August 2007

Die Fruchtbarkeit des Gottvertrauens (Jer 17, 5-8)

Wahrscheinlich ist Ihnen das Wort „Wenn du dich auf andere verlässt, bist du verlassen“ geläufig, und das nicht nur vom Hörensagen. Es ist ein bitteres Wort, hinter dem eine ebenso bittere Erfahrung steckt. Sie ist bitter, weil sie mit einer großen Enttäuschung verknüpft ist. Da hat man auf die Hilfe, das Wohlwollen, die Unterstützung, den Beistand von Menschen gebaut und es ist nicht eingetreten. Und je näher einem diese Menschen stehen, umso größer ist die Enttäuschung.
Der Prophet Jeremia bringt die Erfahrung mit sprechenden Bildern auf den Punkt. Der, der auf Menschen setzt, ist wie ein kahler Strauch in der Steppe, der kein Wasser bekommt. Hilflos verlassen, dem Untergang geweiht, so sieht in Jeremia. Das trifft die Stimmungslage eines Enttäuschten ziemlich gut, auch wenn Jeremia so ein bisschen die Tendenz von „Selbst Schuld!“ in seinen Worten hat. Der Enttäuschte hätte es anders haben können. Wie? Wenn er statt auf Menschen auf Gott vertraut hätte. Ein Mensch, der sich auf Gott verlässt, so der Prophet, dem bleibt die Erfahrung der Enttäuschung erspart. Er ist wie ein Baum am Wasserbach, der jederzeit bekommt, was er zum Leben braucht. Ja mehr noch: auch Durststrecken überwindet er ohne Mühen, weil er weiß, dass Gott ihn nie verlässt.
Ich denke mal, unabhängig von der Weisheit Jeremias kennt jeder auch die Erfahrung, wie er fest auf Mitmenschen bauen konnte, die ihn durch schwere Zeiten trugen. Andererseits wird auch mancher die Erfahrung teilen, das Gefühl gehabt zu haben, von Gott verlassen zu sein. Wichtig ist, die Offenheit zu behalten, sich der Hilfe und dem Wohlwollen anderer anvertrauen zu können, sich trotz einer empfundenen Enttäuschung nicht abzukapseln. Das gilt ganz besonders auch im Hinblick auf Gott, der oft so ganz andere Wege für uns wählt, die doch für uns heilsame Wege sind. Oft stellt sich das erst im Nachhinein heraus. Und das heißt: Unser Vertrauen zu Gott, aber nicht nur zu IHM, braucht einen langen Atem. Und wahrscheinlich ist genau das das Schwere. Fatal wäre es, aus der Enttäuschung heraus auf das Lebensmotto: „Ich muss alleine sehen, wie ich fertig werde!“ zu verfallen. Das wäre das Ende jeglicher Menschlichkeit, und zwar in jeder Richtung. Erweisen wir einander als verlässlich und vertrauen wir uns der verlässlichen Hilfe Gottes an. Vertrauen können verändert den Tag von Grund auf.

Dienstag, 31. Juli 2007

Christen als geistliche Klimaschützer (Joh 10, 27-30)

Eines der Alltagsbilder, mit denen Jesus SEINEN Zeitgenossen und auch uns Gott und SEINE Stellung zu uns nahe bringen will, ist das vom Guten Hirten. Es hat in den Herzen der Glaubenden bis heute wohl mit den meisten Nachhall gefunden. Ursehnsüchte werden in ihm erfüllt von Sorge und Nähe, Treue und Sammlung. Wir Menschen brauchen das, leben davon, dass man uns so behandelt, wie ein solcher Guter Hirte seine Schafe. Und was kann uns besseres passieren als wenn Gott zu uns genauso ist, wenn Jesus genau das anschaulich und erfahrbar macht!
Wie wirkmächtig die Strahlkraft dieses Gleichnisses ist, zeigt sich, dass es sich als Leitbild auch auf die übertragen hat, die in den Weiheämtern in den besonderen Dienst der Kirche haben nehmen lassen und sich um die Gemeinden sorgen. Grundlage für diesen Dienst ist Berufung. Gott ruft in den Dienst der Nachfolge, und nicht: Der Mensch nimmt sich das Recht, in SEINEM Namen wirken zu dürfen. Überall, wo der Mensch sich „sein Recht nimmt“, läuft er Gefahr, selbstherrlich zu werden und eigenmächtig zu handeln, anstatt das Wohl aller zu suchen, in deren Dienst er gestellt ist.
Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den besonderen Dienst, ganz gleich in welchem Amt oder Dienst der Kirche auch immer. Das gilt in gleicher Weise auch für das Christsein überhaupt. Auch hier ist die Grundlage ein Ruf Gottes. Gott ruft jeden bei seinem Namen. Und der Mensch antwortet auf Gottes Ruf. Denn zu Gott zu gehören, als Christ Christi Namen zu tragen, SEIN Kind zu sein, von IHM in den Dienst genommen zu werden, alles das ist Gnade, SEIN ungeschuldetes Geschenk an uns.
Und es ist zugleich Anspruch und Messlatte. Das Zweite der Zehn Gebote lautet: „Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen“ (Ex 20,7). Im Namen Gottes haben Menschen über alle Zeit hinweg bis heute viel Unrecht begangen, sei es in der großen Weltpolitik mit Kriegen und Terror, oder im Kleinen z.B. mit erdrückender, gläubig-verbrämter Strenge in der Erziehung. Beides ist Gift dafür, dass Menschen ihre Zugehörigkeit zu Gott und SEINEN Ruf als Geschenk zum Leben wahrnehmen können.
Das Bild vom Guten Hirten ist da ein wichtiges Korrektiv für uns und unser Tun. Wo wir wie ein Guter Hirte, so wie Jesus ihn zeichnet und vorlebt, um der anderen Willen einander schützen, nähren, sammeln und schätzen, da wird Gott auf faszinierende Weise erfahrbar. Und dort gedeiht auch das offene Ohr für Gottes Ruf – zum Glauben selbst, wie auch in die besonderen Dienste und Ämter der Kirche. Denn Gott hört nie auf, uns zu rufen. Unser Beitrag ist es, ein Klima untereinander zu schaffen, das Menschen ermutigt, auf den Ruf Gottes vertrauensvoll zu antworten.

Montag, 30. Juli 2007

In fortschrittlichen Provisorien leben (Ex 33, 1-10)

Können Sie mit Provisorien leben, mit Dingen, die vorläufig sind, nicht fertig, allenfalls einem Versuch gleich? Wir haben es lieber geregelt, endgültig, fertig, perfekt. Halbe Dinge mögen wir nicht. Und doch: wenn wir genau hinschauen, ist das meiste in unserem Leben in gewisser Weise provisorisch. Da ist kaum etwas, das perfekt und endgültig ist. Fast alles, was wir tun, ist irgendwie optimierbar und schon gar nicht ewig und wir müssen uns oft begnügen mit dem wie es ist. Es trifft sogar für unser irdisches Leben selbst zu in seiner Endlichkeit. Paulus umschreibt in seinem 2. Korinther-Brief das Leben mit einem Zelt und den Tod mit dem Abbrechen des Zeltes (vgl. 2 Kor 5,1) Man möchte sagen: vorläufiger, provisorischer geht es nicht.
Mit der Kirche ist es kaum anders. Sobald das Reich Gottes in seiner Fülle angebrochen ist, braucht es die Kirche nicht mehr. Auch sie ist ein Provisorium und reiht sich dann ein in die Riege alles Irdischen, obwohl auch wir uns über die Jahrtausende in ihr eingerichtet und alles geregelt haben. Wir leben – als Kirche wie auch persönlich – in einer permanenten Spannung von „Schon“ und „Noch nicht“.
Manchmal rückt es so einiges zurecht und bewahrt uns davor, eine solche Spannung einseitig aufzulösen, wenn man an die Anfänge von etwas zurückdenkt. In Bezug auf die Kirche könnte es z.B. der Gedanke sein, dass unsere meterdicken unverrückbaren Kirchenmauern von heute am Anfang der Heilsgeschichte mit dem Volk Israel dünne Zeltwände waren, die mal hier mal da standen. Die Bundeslade – die Grundurkunde des Bundes mit Gott, wurde aufbewahrt im Offenbarungszelt. Auf ihm ließ sich die Wolkensäule nieder, in der Jahwe seinem Volk auf dem Weg vorangeht.
Das Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste, hin zu dem gelobten Land ist das Sinnbild einer Dynamik. Es gilt, immer wieder neu Schritte nach vorn zu machen, voran zu schreiten zu dem hin, was noch aussteht, damit nicht Stillstand oder gar Rückschritt sich einstellt. Das Volk Israel stand ständig in dieser Gefahr, irgendwo auf dem Weg stehen zu bleiben oder gar zu den „Fleischtöpfen Ägyptens“ zurückzukehren. Wir heute dürften nicht wesentlich anders sein.
Provisorien aushalten, offen zu bleiben für ein größeres Ziel und auf dieses Ziel zu gehen, sich nicht mit „kleinen Lösungen“ vorschnell zufrieden geben und sich in ihnen einnisten – daran führt im Leben kein Weg vorbei. Das geht im letzten aber nur dann freien Herzens, wenn man in der Gewissheit lebt, dass der, der alles vollenden wird, mitgeht.

Sonntag, 29. Juli 2007

Auf dem "Basar" Gottes (Gen 18, 20-32)

Die Orte Sodom und Gomórra sind sprichwörtlich geworden. Sodom und Gomórra stehen für Abartigkeit und Perversion, für moralisches Chaos der schwersten Art. Wenn gesagt wird, hier ginge es zu wie in Sodom und Gomórra, dann heißt das, dass Abscheu und Ekel die einzig angemessene Gefühlregung sind über die Zustände, die herrschen, und die klare Distanzierung die einzig vertretbare Reaktion. Mit Sodom und Gomórra will man am liebsten nichts zu tun haben - zumindest nicht offiziell, denn Abartigkeit und Perversion wecken immer auch unsere Neugierde und ziehen uns an.
Jedoch selbst Sodom und Gomórra haben einen Fürsprecher: Abraham. Für ihn scheint es nicht vorstellbar, dass ein ganzer Ort mit ALLEN, die dort leben, so verdorben sein könnte. Es muss dort doch auch Gerechte geben, Menschen, die anders leben als die Mehrheit es tut, deren Unrecht, im wahrsten Sinn des Wortes, zum Himmel stinkt. Auch Gott will es ganz genau wissen und steigt dafür extra herab.
Um der möglichen Gerechten willen versucht Abraham, Gott SEINE Unheilspläne für diese beiden Ortschaften auszureden. Doch wie viel Gerechte „kostet“ das Verschonen von Sodom und Gomórra? Was ist die Mindestanzahl? Fünfzig? Fünfundvierzig? Vierzig? Dreißig? Zwanzig oder Zehn? Abraham ist sichtlich unwohl in seiner Rolle, weil er spürt, dass ihm solch ein Handel mit Gott nicht zusteht. Und doch zieht er ihn konsequent durch.
Was auf den ersten Blick wie ein frommer orientalischer Basar anmutet, ist in Wirklichkeit ein Ausloten der Tiefe der Barmherzigkeit Gottes. Es geht ja nicht nur darum, Unschuldige vor dem Erleiden ungerechter Strafe zu retten. Es geht vielmehr darum, um einiger weniger Gerechte willen ALLEN zu vergeben, auch den größten „Moralchaoten“: Wo alle an ihrem Sinn vorbei leben, verliert etwas seine Existenzberechtigung. Doch wenige darunter, die glaubhaft Zeugnis geben, können alle retten.
Hier, zwischen Abraham und Gott, endet der Handel bei Zehn. Gott wird diese Barmherzigkeit jedoch noch auf die Spitze treiben und auf die kleinste denkbare Anzahl reduzieren. Am Ende wird zur Vergebung von Schuld ein einziger Gerechter genügen. Und dieser Eine ist nicht ein Mensch unter anderen, sondern Gottes Sohn. ER selbst, der in allem uns gleich war außer der Sünde, wird es regeln für uns, dass alle gerettet werden.
Wo immer Sodom und Gomórra auch liegen: auf „Gottes Basar“ wird niemand über den Leisten gezogen und um Besitz und Leben gebracht. Vielmehr bekommen alle alles geschenkt.

Samstag, 28. Juli 2007

Mit Gott aus der Schuldenfalle (Kol 2, 12-14)

Schulden sind ein breitflächiges Problem geworden. Schuldnerberater haben Hochkonjunktur. Überschuldete Haushalte, Firmenpleiten, Bauherreninsolvenzen und selbst Jugendliche, die mit ihrem Handy in die Schuldenfalle tappen – das Problem ist vielschichtig und drängend. Über seine Verhältnisse auf Pump zu leben ist eine große Versuchung. Und wer verschuldet ist, dass es kaum ein Perspektive gibt, die Schulden jemals abzahlen zu können, frei von ihnen zu sein, weiß, wie sehr Schulden einen Menschen lähmen können. Aussichtslosigkeit erstickt alle Initiative. Schulden zu haben wird als ein Makel empfunden, nicht nur von den Überschuldeten selber, sondern genauso von der Außenwelt, die oft nur ein achselzuckendes „Selber schuld“ für diese übrig hat. Im Gegenzug, wenn man es doch geschafft hat, daraus zu kommen, Schulden beglichen sind, Schuldscheine zerrissen werden, erahnt man auch das Glücksgefühl und die Befreiung, die darin stecken. Und man kann nachvollziehen, was es für einen Überschuldeten bedeuten kann, wenn ihm gar die Schulden erlassen werden, die er aus eigener Kraft niemals begleichen könnte. Auch für die Entwicklungsländer wird immer wieder ein Schuldenerlass gefordert, damit sie überhaupt eine Chance haben, eine gesunde Volkswirtschaft mit gesunden Finanzen aufzubauen.
Der Lesung aus dem Kolosserbrief geht es jedoch weniger um finanzielle Schulden, sondern um schuldig gewordene Menschen. Von ihrer Wirkung auf Menschen her ist echte Schuld vergleichbar mit wirtschaftlichen Schulden, vor allem, was das Empfinden von Makel anbetrifft, das abgestempelt werden und die Lähmung, die sie verursachen kann. Kann man Schulden vielleicht noch aus eigener Kraft abbezahlen, Schuld kann man nur erlassen bekommen, nur vergeben bekommen. Wir sagen oft: „Ich möchte mich entschuldigen!“, doch das ist unmöglich. Nur der, an dem man schuldig geworden ist, kann die Last von einem nehmen, niemals der schuldig gewordene sich selbst. Allenfalls kann dieser sagen: „Ich möchte dich um Entschuldigung bitten“.
Gott erlässt die Schuld. In der Taufe ist uns Christen unsere unvermeidliche Schuldverfangenheit von IHM vergeben worden. In Jesu Tod und Auferstehung hat ER alle Schuld von uns genommen. Wenn wir schuldig geworden sind, schenkt er uns einen neuen Anfang, wenn wir in aufrichtiger Reue wirklich umkehren. Gott hat uns geschenkt, was wir aus eigener Kraft nie erlangen können: die Vergebung der Sünden: „Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben.“ (V.14).
Schuld braucht nicht peinlich verschwiegen werden. Sie darf ehrlich angeschaut und vor Gott und einander bekannt werden. Sie ist von IHM der Vergebung anheim gegeben, damit neues Leben wachsen kann. Was für eine Befreiung, die Gott uns schenkt! Gott bewahrt uns vor Ausweglosigkeiten. Aus Gnade.

Freitag, 27. Juli 2007

Die Freiheit, bleiben zu dürfen (Joh 15, 1-8)

Bei allem, was sich in unserer Welt, in unserem Leben tagtäglich verändert – in uns liegt die Sehnsucht nach Beständigkeit. Genauso wie wir die Freiheit schätzen, gehen zu können, wohin wir wollen, genauso brauchen wir auch die Freiheit, bleiben zu dürfen. Einen Ort zu haben, wo man hingehört, ist eine Grundlage für ein gelingendes Leben. Wir haben die Sehnsucht nach einem Zuhause
Zuhause – das kann ein bestimmter Ort sein, z.B. da wo ich geboren und aufgewachsen bin, wo ich meine Wurzeln sehe. Zuhause sind aber auch Beziehungen, in denen ich unbedingt angenommen bin, wo ich selbstverständlich sein darf, kommen und gehen darf, willkommen bin. Darin stecken Verlässlichkeit und Halt, Standfestigkeit; der Urgrund, von dem aus ich mich entfalte.
Diese Gedanken mögen eine Brücke sein, um das elementar Tröstliche des Gleichnisses Jesu vom Weinstock und den Rebzweigen zu erspüren. Es entfaltet menschliche Ursehnsüchte des verbunden Bleibens und des Frucht Bringens. Für Jesus, und damit für uns Christen in SEINER Nachfolge ist klar, dass sich diese Ursehnsüchte nur dann erfüllen, wenn wir nicht irgendwo bleiben, sondern in Gott.
Wenn wir den Mut haben, uns in all den Veränderungen dieser Welt und unseres Lebens wirklich in IHM festzumachen, verheißt er uns von SEINER Seite das Wohltuende und Schöpferische SEINER Nähe. Wer als SEIN Geschöpf und SEIN geliebtes Kind in der Verbundenheit mit IHM bleibt, wird von IHM gehegt und gepflegt, damit wirklich alles ins Leben kommen kann, was in uns steckt. Ja, wir dürfen IHN um alles bitten, was wir wollen, sagt Jesus (V. 7)
Sehen wir also zu, dass wir nicht irgendwo bleiben mit uns, sondern zuhause bei Gott sind, Rebzweige am göttlichen Weinstock, die sich die von Gott geschenkte Freiheit nehmen, bei ihm und in IHM zu bleiben.

Donnerstag, 26. Juli 2007

Vom Hören zum Leben (1 Sam 3, 3-10)

Am Anfang jeder Glaubensgeschichte steht ein Ruf – nicht der Ruf des Glaubenden nach Gott, der ist bereits Antwort. Am Anfang steht vielmehr der Ruf Gottes nach dem Menschen. Gott kann ohne den Menschen, aber ER will nicht ohne den Menschen. ER will auch nicht ohne Sie und mich.
Was ist das für ein Ruf? Es ist ein Ruf in die Nachfolge. Gott ruft uns, damit wir durch IHN und in IHM und mit IHM leben. ER hat jedem Menschenleben seinen Sinn und seine Aufgabe gegeben. ER hat mit jedem von uns etwas vor, mit Ihnen und mit mir.
Sie meinen: Was könnte Gott schon mit einem kleinen Licht wie mir anfangen? Da unterschätzen Sie mal weder IHN noch sich selbst. Sie und ich entstammen SEINEM Herzen und SEINER Hand, sind auf SEIN Wort hin geschaffen, sind weder ein Produkt des Zufalls noch nur die Summe irgendwelcher Naturgesetzlichkeiten.
Wenn Sie mich fragen, wie Selbstverwirklichung des Menschen geschehen kann, dann so: Erlauschen und antworten Sie auf den Ruf Gottes. ER will Ihnen nichts aufzwingen, was nicht Ihres ist. ER will, dass Sie der/die sind, als den/die ER Sie gewollt und gemacht hat. Ihre Talente und Qualitäten sollen aufblühen, Ihnen zur Freude, der Welt zum Segen und Gott zur Ehre.
Und wissen Sie, was ein wichtiges Kriterium ist, woran Sie merken, dass Sie auf der richtigen Spur sind? Wenn das, was Sie tun, Sie zu IHM hinführt und nicht von IHM weg. Denn Gott ruft den Menschen zu einem Leben in SEINER Nähe.
Und wenn Sie meinen, der Ruf Gottes stünde bei Ihnen noch aus, dann seien Sie gewiss, dass ER schon längst Ausschau nach Ihnen hält und so lange ruft, bis Sie endlich antworten. Wenn Sie daran so ihre Zweifel haben, dann lassen Sie es sich vom jungen Samuel und dem Priester Eli zeigen, wie einfach und natürlich das ist.

Mittwoch, 25. Juli 2007

Spontanes Menschenfischen (Mk 1, 14-20)

Sind Sie spontan? Können Sie von jetzt auf gleich eine Entscheidung fällen? Sind Sie in der Lage, Ihre Lebensabläufe ganz kurzfristig zu ändern? Sie sagen: Gut Ding will Weile haben! Wichtige Dinge müssen erst einmal überdacht und eine Nacht drüber geschlafen werden! Man muss Vor- und Nachteile gut abwägen!
Spontaneität ist nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht, wenn sie mich nötigt, eingefahrene, lieb gewordene Wege zu verlassen und etwas nun ganz anders zu machen als vorher. Die Angst, vor lauter Spontaneität mit übereilten Entscheidungen ein Fehlgriff zu machen, ist groß.
Man kann nicht einfach sagen, dass spontan sein nur gut oder nur schlecht ist. Das ist sehr von der Gesamtsituation abhängig. Was aber ist, wenn man instinktiv spürt, hier ist der Augenblick gekommen, spontan das Leben auf den Kopf zu stellen und viele Dinge zu verändern, aber man findet nicht den Mut zur Konsequenz, man bleibt in seinen tausend Wenns und Abers hängen? Dann bleibt auf die Dauer nur der Frust über eine verpasste Chance und der fade Geschmack eines "Hätte ich doch damals...".
Sie glauben, in Ihnen steckt nicht die Fähigkeit zu dieser Art von Spontaneität? Auch hier dürfen Sie nicht zu klein von sich denken. Sie haben diese Fähigkeit. Und Gott baut bei Ihnen sogar auf diese Gabe. Wenn ER sie ruft, dann ist das ohne langes Federlesen. Und ER ruft sie nicht zu einer kleinen Kurve nach links oder rechts, ER ruft sie zu einer echten Kehrtwendung. ER vertraut Ihnen eine neue Aufgabe in der Verkündigung seiner Frohen Botschaft an. In Ihnen steckt das Zeug zum Menschenfischer. Und das nicht im Rahmen eines langfristigen Stellenplans, sondern hier und jetzt und gleich. Sie können gleich damit anfangen. Wirklich! Wie, Sie sind sich da nicht so sicher?! Dann lesen Sie noch einmal nach, was bei den Jüngern geschieht, als ER sie ruft.

Dienstag, 24. Juli 2007

Der feierliche Ernst des Gedenkens (Gen 9, 8-15)

Finden Sie nicht auch: Ein Regenbogen ist ein höchst erhabener Anblick! Nach einem heftigen Regenguss schaut zwischen den aufreißenden dunklen Wolken die Sonne durch und zaubert einen makellosen Bogen, der in tausend Farben funkelt, quer über den ganzen Horizont. Dem Anblick eines solchen Regenbogens kann man sich kaum entziehen.
Im Alten Testament hat ein solcher Regenbogen bekanntermaßen eine besondere Bedeutung, der man sich in ihrer Erhabenheit auch kaum entziehen kann. Nach der Sintflut setzt Gott ihn in die Wolken als Zeichen, dass nun keine Zerstörung des Lebens mehr kommen wird. ER schließt vielmehr einen neuen Bund mit SEINER Schöpfung. Und der Regenbogen wird zum Bundeszeichen, gleichsam Gottes Siegel unter der Bundesurkunde. Und das ist nicht nur ein einmaliges Geschehen. Jeder weitere Regenbogen von nun an hat seine Bedeutung: „Erscheint der Bogen in den Wolken, gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch“ (V. 14f).
Ein Bund ist keine kommunikative Einbahnstrasse. Er ist vielmehr Dialog zwischen zwei oder mehreren Partnern. Gott schenkt uns die Würde und die Gnade, seine Bundespartner zu sein. Und Gott ist treu, ER hält seine Bundeszusage uneingeschränkt. Nicht zuletzt SEIN bleibendes, immer wiederkehrendes Gedenken zeigt es uns.
Wie steht es um unseren Part in diesem Bund? Halten wir unseren Teil ein? Sind wir ein ebenso verlässlicher Partner Gottes? Auch wir sollen des Bundes gedenken, in dem wir immer neu die Verbindung zu IHM suchen, immer neu nach SEINEN Geboten fragen, SEINE Heilstaten meditieren und so erspüren, wie weit ER für uns in Vorleistung geht und wie sehr wir im letzten aus den Früchten dieses Bundes leben.
Wo gedenken wir unseres Bundes mit Gott? Erneuerung und Bekräftigung des Bundes, Zusage unserer Treue und Verlässlichkeit: In der Gemeinschaft der Kirche tun wir dies als Christen in der sonntäglichen Feier der Eucharistie. Sie ist unsere gemeinsame Antwort, die wir geben können, weil Gott selbst sie uns in SEINEM Sohn Jesus Christus eröffnet hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22,19). Doch Bundesgedenken ist mehr als eine fromme Feierstunde. Das erhabene Zeichen, das wir setzen können, ist das Ernstnehmen Gottes und SEINES Willens, so wie ER unseren Lebenswillen ernst nimmt.

Montag, 23. Juli 2007

Durch Jesus "Herr im eigenen Haus" werden (Mk 1, 21-28)

Haben Sie sich immer unter Kontrolle? Ich glaube, das kann kein Mensch von sich behaupten. Als Menschen sind wir eben nicht nur eindimensional. Wir sind sehr differenziert, manchmal kompliziert. Manchmal hat der Verstand bei dem, was wir entscheiden und tun, die Überhand, dann wieder das Gefühl oder der Bauch. Ein drittes Mal können wir überhaupt nicht sagen, wer oder was uns bei einer bestimmten Reaktion "geritten" hat. Viele Einflüsse bestimmen uns mit und von so manchen Untiefen, die in uns sind, ahnen wir kaum etwas.
Einmal sind wir „himmelhoch jauchzend“, dann wieder „zu Tode betrübt“. Einmal sind wir wagemutig zu allem bereit, ein anderes Mal verkriechen wir uns wie in ein Schneckenhaus, weil wir uns einer Herausforderung nicht stellen mögen. Wem ist es noch nicht so gegangen, dass er einigermaßen ratlos auf sich selbst schaute und sich selbst nicht verstehen konnte?
Diese Gedanken beschreiben zwar noch nicht einmal im Ansatz die Wirklichkeit, die die Hl. Schrift meint, wenn Jesus unreine Geister austreibt. Für sie ist es keine Frage, dass das Böse eine eigenständige Macht ist, die sich der Menschen „be-mächtigt“. Wer die Untiefen dieser Welt wahrnimmt, erahnt auch, dass nicht alles Böse, das es gibt, hinreichend erklärt werden kann aus der Bosheit, zu der der Mensch aus sich selbst in der Lage ist.
Und doch mögen diese Gedanken eine Folie sein, auf der man das Evangelium „alltäglicher“ lesen kann. Jesus spricht und handelt an uns mit göttlicher Vollmacht. Die Menschen in der Synagoge von Kafarnaum erleben betroffen SEINE Befehlsgewalt über die unreinen Geister (V. 27). ER kann uns zu einer neuen Beständigkeit verhelfen und anleiten. Wer sich ganz bewusst von IHM leiten lässt, kann seine Launenhaftigkeit und Wankelmütigkeit vermehrt unter Kontrolle bekommen. Glauben heißt: sich festmachen in Gott – mit allem, was an unserer Standfestigkeit wackelt, was an uns fragwürdig ist.

Sonntag, 22. Juli 2007

Die Qualität der Eindeutigkeit (2 Kor 1, 18-22)

Sie kennen sicher den Spruch: „Die Menge macht es nicht! Qualität statt Quantität!“ Das gilt nicht nur für Ware, die man kaufen kann. Das gilt auch für das gesprochene oder geschriebene Wort. Redner können einen unsäglichen Wortschwall über ihre Zuhörer ergießen, ohne irgendetwas Inhaltsvolles gesagt zu haben. Andererseits kann ein einzelnes, gut platziertes Wort äußerst viel bewirken.
Als Menschen in einer Mediengesellschaft sind wir es fast gewohnt, von allen möglichen Seiten bequatscht zu werden. Unzählige Stimmen dringen auf uns ein, um uns dahin zu bringen, etwas zu kaufen oder etwas zu glauben. Und ihnen geht es oft nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Viele dieser Worte sind hohl, halten nicht, was sie versprechen, haben unausgesprochene Hintergedanken oder sind schlichtweg falsch.
Selbst einfache Worte mit einer eigentlich eindeutigen Botschaft können irreführen. Da sagt jemand Ja, meint aber eigentlich Nein. Und so löst er eine Zusage nur halbherzig ein und macht dadurch mehr kaputt als alles andere. Da sagt einer Nein, meint aber eigentlich Ja. Und durch seinen fehlenden Mut macht er anderen eine Hoffnung zunichte. Jesus sagt einmal: „Euer Ja sei ein Ja und Euer Nein ein Nein. Alles andere stammt vom Bösen.“ (Mt 5,37)
Die Korinther haben ihren leisen Zweifel an der Zuverlässigkeit des hl. Paulus. Er hatte seinen Besuch angekündigt, war aber nicht erschienen. Die Stimmung ist getrübt. Paulus sieht, dass er nicht nur den Ruf seiner Person, sondern auch seiner Botschaft beschädigt hat. Er versichert den Korinthern, dass Jesus nicht als Ja und Nein zugleich gekommen sei. Vielmehr sei in IHM das Ja verwirklicht: „Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat!“ (V. 20)
Ich kann und darf darauf vertrauen, dass Gott das, was er verspricht, auch hält. Kein leeres Geschwätz, eine falschen Versprechungen. Wenn Jesus sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben!“ (z.B. Mk, 2,5), dann sind sie es auch. Wenn Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben!“ (Joh 10,10), dann können wir darauf bauen. Glaube ist Vertrauen in die Verheißungen Gottes. Keine leichte Aufgabe für Menschen, denen das Misstrauen heutzutage sonst beinahe aufgenötigt ist. Ob wir trotzdem den Mut dazu aufbringen?

Samstag, 21. Juli 2007

Vor der Haustür Jesu den Glauben „erden“ (Mk 1, 29-39)

Zu den intensivsten Erfahrungen, die wir machen, gehören sicher die mit Menschen, denen wir uns besonders nahe fühlen. Auf das, was sich in diesen Beziehungen tut oder nicht tut, reagieren wir mit jeder Faser unseres Seins. Auf jede Veränderung im Gefüge von Nähe und Distanz reagieren wir entweder mit Glückseligkeit oder höchstem emotionalen Stress. Das Dasein solcher Menschen ist zutiefst ersehnt, ihr Wegbleiben lässt in ein tiefes Loch fallen. Das sind die leichte und die bittere Seite von Liebe.
Mal ganz ehrlich: Geht es Ihnen mit Gott auch so? Wie empfinden Sie tief in sich in Augenblicken, da sie spüren: ER ist da? Und wie ergeht es Ihnen, wenn Ihnen ist, als sei ER abwesend, für Sie im Augenblick unerreichbar? Wenn Sie da einen großen Unterschied bei sich erkennen, bekommen Sie eine Ahnung davon, was ER Ihnen wirklich bedeutet.
Können Sie auch in Worte fassen, was ER Ihnen bedeutet? Was setzt es in Ihnen frei, wenn Sie sich sicher sind, ER ist an Ihrer Seite und sorgt sich um Sie?
„Alle suchen dich!“ – so empfangen die Jünger im Evangelium ihren Meister. (V. 37) ER hatte sich nur kurz zum Gebet zurück gezogen, SICH eine kleine Auszeit gegönnt, nachdem sich schon einmal die ganze Stadt vor SEINER Haustür versammelt hatte (V. 33). Für viele war das schon zu viel. Die Kranken wollten SEINE Nähe, suchten in ihrem Leiden nach IHM, erhofften von IHM Linderung und Heilung.
Was treibt Sie vor die Haustür Jesu? Was ist Ihre Sehnsucht, wenn Sie nach Jesus Ausschau halten? Was erhoffen Sie sich von IHM? Was ist es, von dem Sie ahnen, dass nur ER es ihnen geben kann? Wenn Sie das benennen können, bekommt Ihr Glaube seine Erdung. Da sind Sie sehr dicht dem Motor Ihrer persönlichen Spiritualität auf der Spur. Hier liegt auch Ihr Zugang zu den Vollzügen des Glaubens, wie Sie Ihre ganz persönliche Verbundenheit mit IHM gestalten können in Gebet und Meditation, in der Feier der Sakramente, im Zeugnis für IHN in Wort und Tat. Die Sehnsucht ist der Ort, wo sich die Botschaft des Glaubens mit Ihrer Person verbindet. Denn eines ist sicher: nicht nur Sie suchen IHN, ER sucht Sie dort auch sehnsüchtig.

Freitag, 20. Juli 2007

Die Herausforderung einer eigenen Meinung (Lk 4, 21-30)

Wie schnell Stimmungen kippen und Meinungen schwanken können, das haben sicherlich die meisten von uns schon mal hautnah erfahren. Eben waren noch alle dafür, plötzlich sind auf einmal alle dagegen. Eben noch fanden alle eine Sache toll, auf einmal meinen alle, es sei Unsinn. So ein Stimmungsumschwung kann nach außen hin viele Ursachen haben. Doch nach innen ist der Grund immer Unsicherheit; sei es, weil man nicht genügend Informationen hat oder einem der Mut zu einer eigenen Meinung fehlt.
Die Menschen in der Synagoge von Nazareth haben so ihre Probleme mit ihrem alten Nachbarn Jesus. SEINE Entwicklung vom gehorsamen Zimmermannssohn zum wundertätigen Wanderprediger können sie nicht einordnen. Das Alte, Vertraute wird fremd. Sie bewundern und beargwöhnen IHN zugleich. Und eine kleine Provokation mit Worten löst in ihnen einen so gewaltigen Stimmungsumschwung aus, dass sie IHN, den sie eben noch beklatscht haben, an den Abgrund der Steinigung führen. Eine Entwicklung, die Lukas dramatisch schildert und dem Leser bzw. Hörer den Atem stocken lässt.
Stimmungen beherrschen uns Menschen mehr, als uns lieb ist. Und von der Meinung anderer machen wir uns abhängiger, als wir eigentlich wollen und offen zugestehen. Glaube an Jesus kann und darf jedoch weder auf einer bloßen Stimmung fußen, noch ein Fähnchen im Wind sein. Die Entscheidung, IHM zu glauben und zu folgen, muss ganz und echt sein.
Schon der greise Simeon hatte bei der Darstellung des Jesus-Kindes im Jerusalemer Tempel prophezeit, dass Jesus ein Zeichen ist, dem widersprochen wird. Viele richten sich an IHM auf, aber auch viele kommen zu Fall. (vgl. Lk 2, 34ff) Hier in der Synagoge von Nazareth zeigt sich, wie wahr diese Prophezeiung Simeons ist. Und auch heute, 2000 Jahre später, hat sich an dieser grundsätzlichen Gefahr nichts geändert. Auch heute ist kaum etwas mächtiger, aber auch anfechtbarer, als die sog. „öffentliche Meinung“ - in einer Medien-Demokratie vielleicht sogar noch mehr als damals. Und sie beeinflusst uns auch im Glauben. Doch Jesus sucht keine Bewunderung, sondern unsere Nachfolge.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Du bist ja schon richtig klein geworden! (Mk 9, 30-37)

„Du bist ja schon richtig groß geworden!“ – es ist kaum zu zählen, wie oft ein Kind im Laufe seiner Kindheit einen solchen oder ähnlichen Satz zu hören bekommt. Dem Kind tut dieser Satz gut. Es möchte ja groß und erwachsen werden. Immer mehr allein und selbstständig können ist ein zentraler Aspekt in der Entwicklung eines Kindes – auch wenn es für die Eltern immer auch bedeutet, das Kind ein Stück loslassen zu müssen, damit es seine eigenen Erfahrungen macht und sein Selbstwertgefühl wächst.
„Du bist ja schon richtig klein geworden!“ – diese Aussage klingt in unseren Ohren wahrscheinlich sehr befremdlich. Kann das ein Zuspruch sein, der einen aufrichtet und gut dastehen lässt? Das Evangelium lässt uns in diese scheinbar paradoxe Richtung denken.
Die Jünger haben zum Thema die Frage, wer unter ihnen der Größte sei – das alte Spiel der Rangordnung. Besser dazustehen und mehr zu gelten als andere steckt als Instinkt in uns Menschen drin. Doch Jesus bestärkt seine Jünger keinesfalls darin, auch wenn dieses Denken „allzu menschlich“ ist. Er lehrt sie, die Kleinsten sein zu können, die Letzten: eben Dienerinnen und Diener.
Ahnen Sie, wo der Stachel sitzt und worin das Lob liegt, wenn jemand also zu einem Christen sagt: „Du bist ja schon richtig klein geworden!“? Du hast begriffen, wie ein Christ in der Nachfolge Jesu lebt und wie er zu seinen Mitmenschen steht und sich ihnen gegenüber verhält. Du kannst dich klein machen, um den anderen groß sein zu lassen. Du stehst so fest in dir selbst und in der Liebe Gottes, dass du um keinen Platz in einer Rangordnung kämpfen brauchst, sondern dem anderen den Vortritt lassen kannst. Du lebst nicht nach Instinkt, sondern nach bewusster Entscheidung der Nachfolge.
Du bist ja schon richtig klein geworden! – Hier geht es nicht um die Kleinheit eines zertretenen Selbstbewusstseins, im Gegenteil: es geht um wahre Größe, die in der Lage ist, von sich selbst absehen zu können. So ein Lob würde uns allen gut stehen, wenn wir es verdienten.

Mittwoch, 18. Juli 2007

Die Kunst des rechten Augenblicks (Mt 11, 20-24)

Wissen Sie, was „Kairologie“ ist? Es ist nicht die Lehre über alles, was die ägyptische Hauptstadt betrifft. Es ist die Lehre vom rechten Zeitpunkt. Die griechische Sprache kennt zwei Wörter, die wir mit „Zeit“ übersetzen können: „chronos“ – das ist die fließende und vergehende Zeit, und dann eben „kairos“ – das meint den richtigen Zeitpunkt, den rechten Augenblick. Wir Christen sollten weniger „Chronologen“ sein, denn um die verfließende Zeit brauchen wir uns nicht mehr allzu sehr sorgen. Sie ist - in ihrer Endlichkeit - in Jesu Tod und Auferstehung in die Weite der göttlichen Ewigkeit aufgegangen. Wir Christen sollten vielmehr verstärkt „Kairologen“ sein. Wir sollten leben mit wacher Aufmerksamkeit und geöffnetem Herzen für den Anruf Gottes; ausgestattet mit einem Gespür für das, was im Augenblick zu tun ist; gestärkt mit der inneren Kraft zur Veränderung, wenn neue Erkenntnisse sich auftun, damit sie nicht wirkungslos verpuffen.
„Kairologie“ beruht auf der Gewissheit, dass Gott ständig und auf vielfältigste Weise mit uns kommuniziert, uns herausfordert, uns Weisung gibt. "Kairologen" wissen, dass ER Hinweise gibt, worauf es jetzt ankommt, dass ER neue Wege weist, dass ER zur Umkehr ruft. ER spricht zu uns direkt in unser Herz oder indirekt über Ereignisse und wie sie zu deuten sind. Die immer wieder im Gebet erflehte und in Diskussionen eingeforderte Offenheit für die sog. „Zeichen der Zeit“ hat hier ihre geistige Grundlage.
Auf dem Auge sind wir Menschen manchmal blind. Oder wir sind zu träge, sehen zwar, was geschieht und könnten sagen, was sich ändern müsste, aber finden nicht die Kraft dazu. Jeder nicht genügend beachtete und genutzte Kairos ist eine verpasste Chance, dem Leben in Fülle schon hier und jetzt einen Schritt näher zu kommen.
Die Einwohner der Städte Chórazin und Betsaída, aber auch von Kafarnaum bekommen von Jesus diese verpassten Chancen mit harschen Worten vor Augen geführt. Jedes von den vielen Wundern, die Jesus in ihrer Mitte gewirkt hat, hätte ihnen deutlich machen müssen, dass Gott in ihrer Mitte ist und sie mit SEINER Vollmacht zur Umkehr bewegen will, zu einem neuen Anfang mit IHM. Doch die Einwohner der drei Städte haben sich von all dem nicht bewegen lassen. Entweder sie waren blind oder zu träge. In den Augen Jesu ist das nicht nachvollziehbar.
Beginnen wir neu damit, „Kairologie“ zu studieren. Die Gottesgabe des Hl. Geistes aus Taufe und Firmung wie das Gottesgeschenk unserer Sinne sind dazu die Zugangsberechtigung. Lassen wir uns von Jesus neu in der Kunst der Wahrnehmung des Augenblicks schulen. „Wahrnehmen“ heißt nicht nur bemerken, sondern das Bemerkte auch wahr sein zu lassen, es als Wahrheit meines Lebens zuzulassen. Dann ist der Weg frei für wirklich wesentliche Veränderungen, die aus den Sackgassen des Alltags führen.

Dienstag, 17. Juli 2007

Von der alltäglichen Ehre Gottes (1 Kor 10, 31- 11,1)

Wenn Sie sich morgens vor dem Spiegel die Haare kämmen, tun Sie das dann zur Ehre Gottes? Die Frage klingt komisch, in den Ohren des einen oder anderen vielleicht sogar absurd. Was soll man dabei schon zur Ehre Gottes tun? Oder wenn Sie Auto fahren, tun Sie das zur Ehre Gottes? Sie meinen, solche Dinge haben nichts mit der Ehre Gottes zu tun? Der Apostel Paulus ist da ganz anderer Meinung. Nach ihr kann man auch die alltäglichste Verrichtung zur Ehre Gottes tun: „Ob ihr esst oder trinkt oder etwas anderes tut, tut alles zur Verherrlichung Gottes!“ (V. 31) Was bedeutet das?
Wie fährt man zur Ehre Gottes Auto? - Wenn ich zur Ehre Gottes Auto fahre, dann fahre ich rücksichtsvoll, bin schwächeren Verkehrsteilnehmern gegenüber zuvorkommend, gefährde niemanden. Oder ich lasse das Auto stehen für Fahrten, die man genauso gut und gesünder mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledigen kann.
Wie kämmt man sich zur Ehre Gottes die Haare? - Wenn ich mich zur Verherrlichung Gottes kämme, dann erkenne ich in mir selbst und pflege mit mir ein Gottesgeschöpf, behandle mich mit Ehrfurcht.
Wie isst und trinkt man zur Verherrlichung Gottes? - Wer zur Ehre Gottes isst und trinkt, dankt Gott für die Gaben der Schöpfung, isst mit Bedacht und Genuss. In Gemeinschaft lässt er alle teilhaben am Mahl und sieht nicht nur den eigenen Teller und wie da am meisten drauf kommt.
Etwas zur Verherrlichung Gottes tun heißt, es bewusst und mit Würde zu tun, mit offenem und dankbarem Blick für das Geschenk, das ER darin grundgelegt hat, und ist bereit, es auch für die anderen fruchtbar werden zu lassen. Wenn ich etwas zur Verherrlichung Gottes tue, erst dann bin ich wirklich Mensch, vollziehe mein Leben, anstatt mich in ihm treiben zu lassen.
Wann habe ich das letzte Mal vor und nach dem Essen gebetet? Wann habe ich Gott das letzte Mal gedankt, dass es mich gibt? Wann habe ich das letzte Mal für den Autofahrer, der mir begegnet, eine Fürbitte gehalten, er möge auch heil an sein Ziel kommen? Merken Sie, wie menschlich warm die Welt wird, wenn wir alles zur Verherrlichung Gottes tun?!

Montag, 16. Juli 2007

Weitergeben, was man empfangen hat (1 Kor 15, 1-11)

In unserer Zeit ist Selbermachen in, nicht nur beim Heimwerken. Es gilt auch für den Glauben. Religionswissenschafter und Zeitgeistforscher haben den „Patchworkglauben“ als Phänomen unserer Zeit herausgestellt. Aus den verschiedenen Konfessionen und Religionen, aus Philosophie und Psychologie, aus Modetrends und vielem mehr bastelt sich der Mensch von heute seinen Glauben bunt zusammen und formuliert seine eigenen Bekenntnisse. Diese können heute so und morgen anders lauten. Dass im Glauben einer Gemeinschaft etwas verbindlich ist, über die Zeiten gültig und unabhängig von zeitlichen Entwicklungen und persönlichen Vorlieben, ist vielen Menschen heute nicht mehr plausibel.
Für den hl. Paulus und nach ihm viele Generationen des Christentums ist ein solches Denken wiederum nicht nachvollziehbar. Das Glaubensbekenntnis ist unantastbar. Es steht in sich. Nicht das Bekenntnis muss sich dem Menschen anpassen, sondern der Mensch sich die Inhalte des Glaubens erobern. Der Glaubende hat die Aufgabe, sich mit dessen Inhalten auseinander zu setzen und hat nicht das Recht, Dinge, die sich ihm im Augenblick nicht erschließen, einfach wegzustreichen. In seinem 1. Brief an die Korinther erinnert Paulus an dieses „Fundamentale“ des Glaubensbekenntnisses, und schließt das Festhalten an seinem Wortlaut ausdrücklich mit ein.
Auch Paulus sieht sich nicht als Macher des Bekenntnisses, sondern als Empfangender, der die empfangene Gabe weiter reicht. Es ist ihm wichtig, dass dieses Weiterreichen unverfälscht von Statten geht. Für ihn ist es noch nicht der Wortlaut des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, wie wir es heute sprechen. Das wird erst wenige Jahrhunderte später so ausformuliert. Doch in inhaltlicher Übereinstimmung mit dem Späteren formuliert er als Kern des christlichen Glaubens die Auferstehung Jesu von den Toten. Wie zentral dieser Teil unseres Glaubens ist, aber zugleich auch, wie gefährdet er ist, zeigen immer wieder Umfragen unserer Zeit, nach denen nur noch eine Minderheit aller Christen wirklich an die Auferstehung der Toten glaubt. Und zugleich muss man nüchtern feststellen, dass die Bereitschaft der Gläubigen, sich über die Inhalte des eigenen Glaubens weiter zu bilden, ausgeprägter sein könnte.
Die Weisungen des hl. Paulus an die Korinther sind heute genauso aktuell wie damals. Es bedarf der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Glauben genauso wie das gewollte und bewusste Sich Anvertrauen an seine Verheißungen. Dann wird er wirklich der Grund, auf dem wir stehen.

Sonntag, 15. Juli 2007

Der etwas andere „Ratgeber Leben“ (Lk 10, 25-37)

Für alles und jedes gibt es mehr oder weniger gute Ratgeber, sei es für Fragen der Gesundheit und der Fitness, zur Renovierung und Dekoration von Räumen, zu Fragen der Mode oder was auch immer. Zeitungen, Fernsehsendungen, Bücher und Internetseiten sind voll davon. Sie finden anscheinend viel Beachtung, sonst würde es sie nicht in solcher Fülle geben. „Was muss ich tun, um…“: das ist ihre Kernfrage. Was muss ich tun, um schlank zu werden, um chic auszusehen, um die Soße zum Braten ohne Klümpchen zu binden oder eine Tapete so anzubringen, dass sie nicht nach zwei Wochen wieder von der Wand fällt? Und für alles und jedes gibt es – tatsächliche oder selbst ernannte - Fachleute, die mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Unsere Schriftstelle ist, wenn Sie so wollen, ein „Ratgeber-Evangelium“. Der Ratsuchende: ein Gesetzeslehrer. Der Fachmann: Jesus. Die Frage: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (V. 25) Man könnte diese Frage auch so formulieren: Wie lebe ich so, dass ich den Sinn meines Lebens und meine Aufgabe nicht verfehle und ich das Ziel meines Lebens, das Gott selbst ist, auch erreiche? Wer stellt heutzutage noch diese Frage?!
Die Frage klingt kompliziert, lässt eine nicht minder komplizierte Antwort erwarten. Doch Jesus lenkt die Aufmerksamkeit des Ratsuchenden lediglich auf das altbekannte Doppelgebot der Liebe, Gott ganz zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. Dann gibt er den lapidaren Hinweis, dieses doch einfach zu beachten: „Handle danach und du wirst leben.“ (V. 28)
So einfach ist das mit dem ewigen Leben? Oder so schnell speist Jesus den Gesetzeslehrer ab? Dem Gesetzeslehrer ist mit der Antwort Jesu augenscheinlich unwohl. Das Problem steckt, wie häufig, im Detail: „Und wer ist mein Nächster?“ (V. 29) Eine seltsame Nachfrage. Sie klingt nach: Wer hat denn Anspruch auf meine Liebe? Wem muss ich sie erweisen? Wem kann ich sie vorenthalten?
Jetzt wird Jesus ganz konkret mit dem berühmten Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Seine Essenz: JEDER ist mein Nächster; jeder, der mir gerade begegnet, unabhängig wer es ist, woher er stammt, was er hat, was er braucht. Barmherzigkeit fragt nach all dem nicht. Nächstenliebe kennt keine Auswahlkriterien. Eine eindeutige Antwort. Für uns Menschen jedoch eine, die es so richtig in sich hat. Denn die Frage: Wer verdient meine Liebe und wer nicht – wir schleppen sie mit uns rum und kommen kaum aus ihren Fängen.
Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? - Selbstlos jedem gegenüber barmherzig sein, weil Gott uns gegenüber bedingungslos barmherzig ist.

Samstag, 14. Juli 2007

Mit der „Goldenen Regel“ in Vorleistung gehen (Lk 6, 27-38)

Die inzwischen sprichwörtlich gewordene „andere Wange“, die man hinhalten soll, muss immer wieder für Belustigungen aller Art herhalten, auch wenn sie alles andere als ein Scherz sein will. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ lehrt Christus seine Jünger und damit auch uns (V.35). Das ist der Ernstfall der Liebe.
Sympathieträger anzunehmen und zu umgarnen ist für uns fast selbstverständlich. Doch diejenigen zu lieben, die einem feindlich gesinnt sind, einem schaden wollen und es auch ganz konkret tun, das ist eine Zumutung. Niemand wird dieses Gebot Jesu unkommentiert und unkritisiert annehmen. Jedem wird wohl sofort mindestens eine Person in den Sinn kommen, der man die Liebe verweigern möchte oder es tut – mindestens ebenso handfest und schädigend, wie man es von ihr empfängt.
„Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – das ist eine klare Aufforderung Jesu, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, des Hasses und der gegenseitigen Ausgrenzung, zu durchbrechen. Dabei sollen wir gerade da in Vorleistung gehen, wo am wenigsten etwas zurück zu erwarten ist. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – das ist die Ermutigung zu einem tieferen Erkennen des vermeintlichen Gegners, der eigentlich als mein Bruder/ als meine Schwester gemeint und auch Kind Gottes ist. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – dass ist die klare Weisung Jesu, dass die Durchsetzung des Ego für einen Christen nicht oberste Priorität hat und nicht das ist, was wahre Stärke ausmacht.
Liebe meint hier sicher nicht das Hegen von besonders zärtlichen Gefühlen, den Zwang, den sog. Feind plötzlich besonders sympathisch zu finden. Das wäre Heuchelei und wertlos. Was mit Liebe gemeint ist, steckt in einer weiteren Weisung in diesem Zusammenhang: „Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.“ (V. 31). Wir kennen dieses Gebot auch als „Goldene Regel“ in der Formulierung: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu! Behandle den anderen so, wie du gerne behandelt werden möchtest.
So klar und einfach ist christliche Nächstenliebe. Man braucht, um sie verstehen zu können und zu leben, kein Theologiediplom, sondern einfach nur gesunden Menschenverstand, das Herz auf dem rechten Fleck und die nötige Portion Konsequenz. Aber wahrscheinlich wird es genau deshalb zugleich wieder schwer und kompliziert, weil es uns oft genau daran mangelt. Gott sei Dank kann man immer wieder neu damit anfangen.

Freitag, 13. Juli 2007

Durch Gebet zur Einheit (Joh 17, 20-26)

„Bete für mich!“ – diese Bitte ist sicherlich schon mal an Sie herangetragen worden. Oder Sie selbst haben andere schon einmal darum gebeten. Einander in unseren Anliegen Fürsprecherinnen und Fürsprecher bei Gott zu sein, ist für uns Christen etwas Selbstverständliches. Wir vertrauen auf die Kraft des Gebetes. Es sind keine Worte ins Nichts. Sie sind vielmehr hineingesprochen, hineingefleht in das hörende und liebende Herz Gottes, das ein Interesse an uns hat, der unser Heil will. Und es ist eine zentrale Aussage über uns Menschen selbst, dass wir eine Antenne haben zu Gott, in einem direkten Draht mit IHM in Kontakt stehen. Wir dürfen den Himmel bestürmen, können Gott nie lästig fallen. Wir dürfen mit all unseren Bitten zu IHM kommen. Jesus ermuntert uns dazu an mehreren Stellen in den Evangelien.
In dieser Stelle aus dem sog. „hohepriesterlichen Gebet“ Jesu bei Johannes hören wir Jesus für uns beten. ER bittet um die Einheit aller, die an IHN glauben. Dabei meint Einheit keinen losen Verbund, keine irgendwie geartete Gemengelage, sondern die gleiche tiefe Einheit, die IHN mit dem Vater verbindet. Ein Herz, eine Seele eine Denke, ein gemeinsamer Weg, ein gemeinsames Ziel und die absolute Lauterkeit der Absicht. Eine solche Einheit der Glaubenden untereinander ist IHM augenscheinlich ein echtes Herzensanliegen. Sie ist der Garant für die Glaubwürdigkeit der Botschaft von der Liebe des Vaters.
Einander ins Gebet nehmen – einander um ein Gebet bitten in einem persönlichen Anliegen – die Gemeinschaft der Kirche, ja die ganze Welt ins Gebet nehmen – wir sind eingeladen, einander diesen Liebesdienst immer wieder zu erweisen. Wo wir es schaffen, miteinander und füreinander zu beten, entsteht auch immer ein Klima des Vertrauens und der Nächstenliebe. Beten schafft echte Solidarität. Alles dies ist Grundlage der Einheit, die Jesus für uns beim Vater erbittet. So ist auch verständlich, warum Jesus SEIN Anliegen um Einheit nicht im Rahmen einer Predigt darlegt sondern im Gebet. ER nennt nicht nur SEIN Anliegen, ER weist auch den Weg dahin durch SEIN Tun.

Donnerstag, 12. Juli 2007

Den Weg vom Ziel her sehen und gehen lernen (Lk 9, 51-62)

Da muss man schon zweimal hinschauen: es kommen Menschen zu Jesus voll gutem Willen, IHM nachzufolgen. Und ER bombardiert sie mit Ansprüchen, dass einem der Atem stockt. Sollte ER sich nicht besser über die Bereitschaft dieser Menschen freuen, die Latte etwas tiefer hängen und sie ermutigen? Auch wir sind erschrocken über SEINE Rigorosität und müssen eingestehen, wohl keiner SEINER Anforderungen zu entsprechen. Wir sind gut eingerichtet, lassen uns gerne von allem möglichen ablenken und haben des Öfteren unseren Zweifel. Heißt das, dass wir alle für das Reich Gottes nicht taugen? SEINE deutlichen Worte weichklopfen hilft genauso wenig wie sie einfach als unerfüllbar zurückweisen. Wir müssen uns ihnen stellen. Der Stachel sitzt.
Der erste Vers dieses Abschnitts ist gleichsam die Brille, durch die das „Ungeheuerliche“ gelesen werden muss: „Als die Zeit herankam, in der Jesus in den Himmel aufgenommen werden sollte, entschloss er sich, nach Jerusalem zu gehen.“ (V.51) Nach Jerusalem gehen – das bedeutet, sich dem Kreuz stellen, Leid und Tod auf sich nehmen. Es wird also ernst. Es ist Zeit der Entscheidung. Jesus ist entschlossen. Und diese Entschlossenheit der Nachfolge wünscht er sich auch von seinen Jüngern. Wir kennen die Dramen und menschlichen Tragödien, die sich unter den Jüngern am Kreuzweg abspielen aufgrund mangelnder Entschlossenheit.
Kreuz, Leiden und Tod werden in diesem Vers jedoch mit ganz anderen Worten zum Ausdruck gebracht. Es ist stattdessen die Rede von der „Zeit, in der Jesus in den Himmel aufgenommen werden sollte“. Lukas schlägt die Brücke viel weiter, über das Leiden hinaus zur Himmelfahrt Jesu, zum geöffneten Himmel, zum Leben in Fülle, zum endgültigen Ziel SEINES Heilweges. Der Weg, den Jesus weist, und der so unsagbar fordernd uns in den Ohren liegt, er lässt sich nur gehen immer fest mit dem Ziel des ganzen im Blick. Er wird nur gangbar mit der Gewissheit, dass Nachfolge Jesu nicht vergebens oder irrig ist, sondern in Heil mündet. Der den Weg geht, landet, trotz aller dunklen Etappen, direkt bei Gott. Das heißt „Glauben“. Zu ihm gehört auch eine Spur Unbeirrbarkeit. Nachfolge gelingt dem, der sich in dieser Gewissheit wirklich festmacht und sich ganz auf das Ziel hin ausrichtet.