Dienstag, 31. Juli 2007

Christen als geistliche Klimaschützer (Joh 10, 27-30)

Eines der Alltagsbilder, mit denen Jesus SEINEN Zeitgenossen und auch uns Gott und SEINE Stellung zu uns nahe bringen will, ist das vom Guten Hirten. Es hat in den Herzen der Glaubenden bis heute wohl mit den meisten Nachhall gefunden. Ursehnsüchte werden in ihm erfüllt von Sorge und Nähe, Treue und Sammlung. Wir Menschen brauchen das, leben davon, dass man uns so behandelt, wie ein solcher Guter Hirte seine Schafe. Und was kann uns besseres passieren als wenn Gott zu uns genauso ist, wenn Jesus genau das anschaulich und erfahrbar macht!
Wie wirkmächtig die Strahlkraft dieses Gleichnisses ist, zeigt sich, dass es sich als Leitbild auch auf die übertragen hat, die in den Weiheämtern in den besonderen Dienst der Kirche haben nehmen lassen und sich um die Gemeinden sorgen. Grundlage für diesen Dienst ist Berufung. Gott ruft in den Dienst der Nachfolge, und nicht: Der Mensch nimmt sich das Recht, in SEINEM Namen wirken zu dürfen. Überall, wo der Mensch sich „sein Recht nimmt“, läuft er Gefahr, selbstherrlich zu werden und eigenmächtig zu handeln, anstatt das Wohl aller zu suchen, in deren Dienst er gestellt ist.
Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den besonderen Dienst, ganz gleich in welchem Amt oder Dienst der Kirche auch immer. Das gilt in gleicher Weise auch für das Christsein überhaupt. Auch hier ist die Grundlage ein Ruf Gottes. Gott ruft jeden bei seinem Namen. Und der Mensch antwortet auf Gottes Ruf. Denn zu Gott zu gehören, als Christ Christi Namen zu tragen, SEIN Kind zu sein, von IHM in den Dienst genommen zu werden, alles das ist Gnade, SEIN ungeschuldetes Geschenk an uns.
Und es ist zugleich Anspruch und Messlatte. Das Zweite der Zehn Gebote lautet: „Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen“ (Ex 20,7). Im Namen Gottes haben Menschen über alle Zeit hinweg bis heute viel Unrecht begangen, sei es in der großen Weltpolitik mit Kriegen und Terror, oder im Kleinen z.B. mit erdrückender, gläubig-verbrämter Strenge in der Erziehung. Beides ist Gift dafür, dass Menschen ihre Zugehörigkeit zu Gott und SEINEN Ruf als Geschenk zum Leben wahrnehmen können.
Das Bild vom Guten Hirten ist da ein wichtiges Korrektiv für uns und unser Tun. Wo wir wie ein Guter Hirte, so wie Jesus ihn zeichnet und vorlebt, um der anderen Willen einander schützen, nähren, sammeln und schätzen, da wird Gott auf faszinierende Weise erfahrbar. Und dort gedeiht auch das offene Ohr für Gottes Ruf – zum Glauben selbst, wie auch in die besonderen Dienste und Ämter der Kirche. Denn Gott hört nie auf, uns zu rufen. Unser Beitrag ist es, ein Klima untereinander zu schaffen, das Menschen ermutigt, auf den Ruf Gottes vertrauensvoll zu antworten.

Montag, 30. Juli 2007

In fortschrittlichen Provisorien leben (Ex 33, 1-10)

Können Sie mit Provisorien leben, mit Dingen, die vorläufig sind, nicht fertig, allenfalls einem Versuch gleich? Wir haben es lieber geregelt, endgültig, fertig, perfekt. Halbe Dinge mögen wir nicht. Und doch: wenn wir genau hinschauen, ist das meiste in unserem Leben in gewisser Weise provisorisch. Da ist kaum etwas, das perfekt und endgültig ist. Fast alles, was wir tun, ist irgendwie optimierbar und schon gar nicht ewig und wir müssen uns oft begnügen mit dem wie es ist. Es trifft sogar für unser irdisches Leben selbst zu in seiner Endlichkeit. Paulus umschreibt in seinem 2. Korinther-Brief das Leben mit einem Zelt und den Tod mit dem Abbrechen des Zeltes (vgl. 2 Kor 5,1) Man möchte sagen: vorläufiger, provisorischer geht es nicht.
Mit der Kirche ist es kaum anders. Sobald das Reich Gottes in seiner Fülle angebrochen ist, braucht es die Kirche nicht mehr. Auch sie ist ein Provisorium und reiht sich dann ein in die Riege alles Irdischen, obwohl auch wir uns über die Jahrtausende in ihr eingerichtet und alles geregelt haben. Wir leben – als Kirche wie auch persönlich – in einer permanenten Spannung von „Schon“ und „Noch nicht“.
Manchmal rückt es so einiges zurecht und bewahrt uns davor, eine solche Spannung einseitig aufzulösen, wenn man an die Anfänge von etwas zurückdenkt. In Bezug auf die Kirche könnte es z.B. der Gedanke sein, dass unsere meterdicken unverrückbaren Kirchenmauern von heute am Anfang der Heilsgeschichte mit dem Volk Israel dünne Zeltwände waren, die mal hier mal da standen. Die Bundeslade – die Grundurkunde des Bundes mit Gott, wurde aufbewahrt im Offenbarungszelt. Auf ihm ließ sich die Wolkensäule nieder, in der Jahwe seinem Volk auf dem Weg vorangeht.
Das Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste, hin zu dem gelobten Land ist das Sinnbild einer Dynamik. Es gilt, immer wieder neu Schritte nach vorn zu machen, voran zu schreiten zu dem hin, was noch aussteht, damit nicht Stillstand oder gar Rückschritt sich einstellt. Das Volk Israel stand ständig in dieser Gefahr, irgendwo auf dem Weg stehen zu bleiben oder gar zu den „Fleischtöpfen Ägyptens“ zurückzukehren. Wir heute dürften nicht wesentlich anders sein.
Provisorien aushalten, offen zu bleiben für ein größeres Ziel und auf dieses Ziel zu gehen, sich nicht mit „kleinen Lösungen“ vorschnell zufrieden geben und sich in ihnen einnisten – daran führt im Leben kein Weg vorbei. Das geht im letzten aber nur dann freien Herzens, wenn man in der Gewissheit lebt, dass der, der alles vollenden wird, mitgeht.

Sonntag, 29. Juli 2007

Auf dem "Basar" Gottes (Gen 18, 20-32)

Die Orte Sodom und Gomórra sind sprichwörtlich geworden. Sodom und Gomórra stehen für Abartigkeit und Perversion, für moralisches Chaos der schwersten Art. Wenn gesagt wird, hier ginge es zu wie in Sodom und Gomórra, dann heißt das, dass Abscheu und Ekel die einzig angemessene Gefühlregung sind über die Zustände, die herrschen, und die klare Distanzierung die einzig vertretbare Reaktion. Mit Sodom und Gomórra will man am liebsten nichts zu tun haben - zumindest nicht offiziell, denn Abartigkeit und Perversion wecken immer auch unsere Neugierde und ziehen uns an.
Jedoch selbst Sodom und Gomórra haben einen Fürsprecher: Abraham. Für ihn scheint es nicht vorstellbar, dass ein ganzer Ort mit ALLEN, die dort leben, so verdorben sein könnte. Es muss dort doch auch Gerechte geben, Menschen, die anders leben als die Mehrheit es tut, deren Unrecht, im wahrsten Sinn des Wortes, zum Himmel stinkt. Auch Gott will es ganz genau wissen und steigt dafür extra herab.
Um der möglichen Gerechten willen versucht Abraham, Gott SEINE Unheilspläne für diese beiden Ortschaften auszureden. Doch wie viel Gerechte „kostet“ das Verschonen von Sodom und Gomórra? Was ist die Mindestanzahl? Fünfzig? Fünfundvierzig? Vierzig? Dreißig? Zwanzig oder Zehn? Abraham ist sichtlich unwohl in seiner Rolle, weil er spürt, dass ihm solch ein Handel mit Gott nicht zusteht. Und doch zieht er ihn konsequent durch.
Was auf den ersten Blick wie ein frommer orientalischer Basar anmutet, ist in Wirklichkeit ein Ausloten der Tiefe der Barmherzigkeit Gottes. Es geht ja nicht nur darum, Unschuldige vor dem Erleiden ungerechter Strafe zu retten. Es geht vielmehr darum, um einiger weniger Gerechte willen ALLEN zu vergeben, auch den größten „Moralchaoten“: Wo alle an ihrem Sinn vorbei leben, verliert etwas seine Existenzberechtigung. Doch wenige darunter, die glaubhaft Zeugnis geben, können alle retten.
Hier, zwischen Abraham und Gott, endet der Handel bei Zehn. Gott wird diese Barmherzigkeit jedoch noch auf die Spitze treiben und auf die kleinste denkbare Anzahl reduzieren. Am Ende wird zur Vergebung von Schuld ein einziger Gerechter genügen. Und dieser Eine ist nicht ein Mensch unter anderen, sondern Gottes Sohn. ER selbst, der in allem uns gleich war außer der Sünde, wird es regeln für uns, dass alle gerettet werden.
Wo immer Sodom und Gomórra auch liegen: auf „Gottes Basar“ wird niemand über den Leisten gezogen und um Besitz und Leben gebracht. Vielmehr bekommen alle alles geschenkt.

Samstag, 28. Juli 2007

Mit Gott aus der Schuldenfalle (Kol 2, 12-14)

Schulden sind ein breitflächiges Problem geworden. Schuldnerberater haben Hochkonjunktur. Überschuldete Haushalte, Firmenpleiten, Bauherreninsolvenzen und selbst Jugendliche, die mit ihrem Handy in die Schuldenfalle tappen – das Problem ist vielschichtig und drängend. Über seine Verhältnisse auf Pump zu leben ist eine große Versuchung. Und wer verschuldet ist, dass es kaum ein Perspektive gibt, die Schulden jemals abzahlen zu können, frei von ihnen zu sein, weiß, wie sehr Schulden einen Menschen lähmen können. Aussichtslosigkeit erstickt alle Initiative. Schulden zu haben wird als ein Makel empfunden, nicht nur von den Überschuldeten selber, sondern genauso von der Außenwelt, die oft nur ein achselzuckendes „Selber schuld“ für diese übrig hat. Im Gegenzug, wenn man es doch geschafft hat, daraus zu kommen, Schulden beglichen sind, Schuldscheine zerrissen werden, erahnt man auch das Glücksgefühl und die Befreiung, die darin stecken. Und man kann nachvollziehen, was es für einen Überschuldeten bedeuten kann, wenn ihm gar die Schulden erlassen werden, die er aus eigener Kraft niemals begleichen könnte. Auch für die Entwicklungsländer wird immer wieder ein Schuldenerlass gefordert, damit sie überhaupt eine Chance haben, eine gesunde Volkswirtschaft mit gesunden Finanzen aufzubauen.
Der Lesung aus dem Kolosserbrief geht es jedoch weniger um finanzielle Schulden, sondern um schuldig gewordene Menschen. Von ihrer Wirkung auf Menschen her ist echte Schuld vergleichbar mit wirtschaftlichen Schulden, vor allem, was das Empfinden von Makel anbetrifft, das abgestempelt werden und die Lähmung, die sie verursachen kann. Kann man Schulden vielleicht noch aus eigener Kraft abbezahlen, Schuld kann man nur erlassen bekommen, nur vergeben bekommen. Wir sagen oft: „Ich möchte mich entschuldigen!“, doch das ist unmöglich. Nur der, an dem man schuldig geworden ist, kann die Last von einem nehmen, niemals der schuldig gewordene sich selbst. Allenfalls kann dieser sagen: „Ich möchte dich um Entschuldigung bitten“.
Gott erlässt die Schuld. In der Taufe ist uns Christen unsere unvermeidliche Schuldverfangenheit von IHM vergeben worden. In Jesu Tod und Auferstehung hat ER alle Schuld von uns genommen. Wenn wir schuldig geworden sind, schenkt er uns einen neuen Anfang, wenn wir in aufrichtiger Reue wirklich umkehren. Gott hat uns geschenkt, was wir aus eigener Kraft nie erlangen können: die Vergebung der Sünden: „Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durchgestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben.“ (V.14).
Schuld braucht nicht peinlich verschwiegen werden. Sie darf ehrlich angeschaut und vor Gott und einander bekannt werden. Sie ist von IHM der Vergebung anheim gegeben, damit neues Leben wachsen kann. Was für eine Befreiung, die Gott uns schenkt! Gott bewahrt uns vor Ausweglosigkeiten. Aus Gnade.

Freitag, 27. Juli 2007

Die Freiheit, bleiben zu dürfen (Joh 15, 1-8)

Bei allem, was sich in unserer Welt, in unserem Leben tagtäglich verändert – in uns liegt die Sehnsucht nach Beständigkeit. Genauso wie wir die Freiheit schätzen, gehen zu können, wohin wir wollen, genauso brauchen wir auch die Freiheit, bleiben zu dürfen. Einen Ort zu haben, wo man hingehört, ist eine Grundlage für ein gelingendes Leben. Wir haben die Sehnsucht nach einem Zuhause
Zuhause – das kann ein bestimmter Ort sein, z.B. da wo ich geboren und aufgewachsen bin, wo ich meine Wurzeln sehe. Zuhause sind aber auch Beziehungen, in denen ich unbedingt angenommen bin, wo ich selbstverständlich sein darf, kommen und gehen darf, willkommen bin. Darin stecken Verlässlichkeit und Halt, Standfestigkeit; der Urgrund, von dem aus ich mich entfalte.
Diese Gedanken mögen eine Brücke sein, um das elementar Tröstliche des Gleichnisses Jesu vom Weinstock und den Rebzweigen zu erspüren. Es entfaltet menschliche Ursehnsüchte des verbunden Bleibens und des Frucht Bringens. Für Jesus, und damit für uns Christen in SEINER Nachfolge ist klar, dass sich diese Ursehnsüchte nur dann erfüllen, wenn wir nicht irgendwo bleiben, sondern in Gott.
Wenn wir den Mut haben, uns in all den Veränderungen dieser Welt und unseres Lebens wirklich in IHM festzumachen, verheißt er uns von SEINER Seite das Wohltuende und Schöpferische SEINER Nähe. Wer als SEIN Geschöpf und SEIN geliebtes Kind in der Verbundenheit mit IHM bleibt, wird von IHM gehegt und gepflegt, damit wirklich alles ins Leben kommen kann, was in uns steckt. Ja, wir dürfen IHN um alles bitten, was wir wollen, sagt Jesus (V. 7)
Sehen wir also zu, dass wir nicht irgendwo bleiben mit uns, sondern zuhause bei Gott sind, Rebzweige am göttlichen Weinstock, die sich die von Gott geschenkte Freiheit nehmen, bei ihm und in IHM zu bleiben.

Donnerstag, 26. Juli 2007

Vom Hören zum Leben (1 Sam 3, 3-10)

Am Anfang jeder Glaubensgeschichte steht ein Ruf – nicht der Ruf des Glaubenden nach Gott, der ist bereits Antwort. Am Anfang steht vielmehr der Ruf Gottes nach dem Menschen. Gott kann ohne den Menschen, aber ER will nicht ohne den Menschen. ER will auch nicht ohne Sie und mich.
Was ist das für ein Ruf? Es ist ein Ruf in die Nachfolge. Gott ruft uns, damit wir durch IHN und in IHM und mit IHM leben. ER hat jedem Menschenleben seinen Sinn und seine Aufgabe gegeben. ER hat mit jedem von uns etwas vor, mit Ihnen und mit mir.
Sie meinen: Was könnte Gott schon mit einem kleinen Licht wie mir anfangen? Da unterschätzen Sie mal weder IHN noch sich selbst. Sie und ich entstammen SEINEM Herzen und SEINER Hand, sind auf SEIN Wort hin geschaffen, sind weder ein Produkt des Zufalls noch nur die Summe irgendwelcher Naturgesetzlichkeiten.
Wenn Sie mich fragen, wie Selbstverwirklichung des Menschen geschehen kann, dann so: Erlauschen und antworten Sie auf den Ruf Gottes. ER will Ihnen nichts aufzwingen, was nicht Ihres ist. ER will, dass Sie der/die sind, als den/die ER Sie gewollt und gemacht hat. Ihre Talente und Qualitäten sollen aufblühen, Ihnen zur Freude, der Welt zum Segen und Gott zur Ehre.
Und wissen Sie, was ein wichtiges Kriterium ist, woran Sie merken, dass Sie auf der richtigen Spur sind? Wenn das, was Sie tun, Sie zu IHM hinführt und nicht von IHM weg. Denn Gott ruft den Menschen zu einem Leben in SEINER Nähe.
Und wenn Sie meinen, der Ruf Gottes stünde bei Ihnen noch aus, dann seien Sie gewiss, dass ER schon längst Ausschau nach Ihnen hält und so lange ruft, bis Sie endlich antworten. Wenn Sie daran so ihre Zweifel haben, dann lassen Sie es sich vom jungen Samuel und dem Priester Eli zeigen, wie einfach und natürlich das ist.

Mittwoch, 25. Juli 2007

Spontanes Menschenfischen (Mk 1, 14-20)

Sind Sie spontan? Können Sie von jetzt auf gleich eine Entscheidung fällen? Sind Sie in der Lage, Ihre Lebensabläufe ganz kurzfristig zu ändern? Sie sagen: Gut Ding will Weile haben! Wichtige Dinge müssen erst einmal überdacht und eine Nacht drüber geschlafen werden! Man muss Vor- und Nachteile gut abwägen!
Spontaneität ist nicht jedermanns Sache. Schon gar nicht, wenn sie mich nötigt, eingefahrene, lieb gewordene Wege zu verlassen und etwas nun ganz anders zu machen als vorher. Die Angst, vor lauter Spontaneität mit übereilten Entscheidungen ein Fehlgriff zu machen, ist groß.
Man kann nicht einfach sagen, dass spontan sein nur gut oder nur schlecht ist. Das ist sehr von der Gesamtsituation abhängig. Was aber ist, wenn man instinktiv spürt, hier ist der Augenblick gekommen, spontan das Leben auf den Kopf zu stellen und viele Dinge zu verändern, aber man findet nicht den Mut zur Konsequenz, man bleibt in seinen tausend Wenns und Abers hängen? Dann bleibt auf die Dauer nur der Frust über eine verpasste Chance und der fade Geschmack eines "Hätte ich doch damals...".
Sie glauben, in Ihnen steckt nicht die Fähigkeit zu dieser Art von Spontaneität? Auch hier dürfen Sie nicht zu klein von sich denken. Sie haben diese Fähigkeit. Und Gott baut bei Ihnen sogar auf diese Gabe. Wenn ER sie ruft, dann ist das ohne langes Federlesen. Und ER ruft sie nicht zu einer kleinen Kurve nach links oder rechts, ER ruft sie zu einer echten Kehrtwendung. ER vertraut Ihnen eine neue Aufgabe in der Verkündigung seiner Frohen Botschaft an. In Ihnen steckt das Zeug zum Menschenfischer. Und das nicht im Rahmen eines langfristigen Stellenplans, sondern hier und jetzt und gleich. Sie können gleich damit anfangen. Wirklich! Wie, Sie sind sich da nicht so sicher?! Dann lesen Sie noch einmal nach, was bei den Jüngern geschieht, als ER sie ruft.

Dienstag, 24. Juli 2007

Der feierliche Ernst des Gedenkens (Gen 9, 8-15)

Finden Sie nicht auch: Ein Regenbogen ist ein höchst erhabener Anblick! Nach einem heftigen Regenguss schaut zwischen den aufreißenden dunklen Wolken die Sonne durch und zaubert einen makellosen Bogen, der in tausend Farben funkelt, quer über den ganzen Horizont. Dem Anblick eines solchen Regenbogens kann man sich kaum entziehen.
Im Alten Testament hat ein solcher Regenbogen bekanntermaßen eine besondere Bedeutung, der man sich in ihrer Erhabenheit auch kaum entziehen kann. Nach der Sintflut setzt Gott ihn in die Wolken als Zeichen, dass nun keine Zerstörung des Lebens mehr kommen wird. ER schließt vielmehr einen neuen Bund mit SEINER Schöpfung. Und der Regenbogen wird zum Bundeszeichen, gleichsam Gottes Siegel unter der Bundesurkunde. Und das ist nicht nur ein einmaliges Geschehen. Jeder weitere Regenbogen von nun an hat seine Bedeutung: „Erscheint der Bogen in den Wolken, gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch“ (V. 14f).
Ein Bund ist keine kommunikative Einbahnstrasse. Er ist vielmehr Dialog zwischen zwei oder mehreren Partnern. Gott schenkt uns die Würde und die Gnade, seine Bundespartner zu sein. Und Gott ist treu, ER hält seine Bundeszusage uneingeschränkt. Nicht zuletzt SEIN bleibendes, immer wiederkehrendes Gedenken zeigt es uns.
Wie steht es um unseren Part in diesem Bund? Halten wir unseren Teil ein? Sind wir ein ebenso verlässlicher Partner Gottes? Auch wir sollen des Bundes gedenken, in dem wir immer neu die Verbindung zu IHM suchen, immer neu nach SEINEN Geboten fragen, SEINE Heilstaten meditieren und so erspüren, wie weit ER für uns in Vorleistung geht und wie sehr wir im letzten aus den Früchten dieses Bundes leben.
Wo gedenken wir unseres Bundes mit Gott? Erneuerung und Bekräftigung des Bundes, Zusage unserer Treue und Verlässlichkeit: In der Gemeinschaft der Kirche tun wir dies als Christen in der sonntäglichen Feier der Eucharistie. Sie ist unsere gemeinsame Antwort, die wir geben können, weil Gott selbst sie uns in SEINEM Sohn Jesus Christus eröffnet hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22,19). Doch Bundesgedenken ist mehr als eine fromme Feierstunde. Das erhabene Zeichen, das wir setzen können, ist das Ernstnehmen Gottes und SEINES Willens, so wie ER unseren Lebenswillen ernst nimmt.

Montag, 23. Juli 2007

Durch Jesus "Herr im eigenen Haus" werden (Mk 1, 21-28)

Haben Sie sich immer unter Kontrolle? Ich glaube, das kann kein Mensch von sich behaupten. Als Menschen sind wir eben nicht nur eindimensional. Wir sind sehr differenziert, manchmal kompliziert. Manchmal hat der Verstand bei dem, was wir entscheiden und tun, die Überhand, dann wieder das Gefühl oder der Bauch. Ein drittes Mal können wir überhaupt nicht sagen, wer oder was uns bei einer bestimmten Reaktion "geritten" hat. Viele Einflüsse bestimmen uns mit und von so manchen Untiefen, die in uns sind, ahnen wir kaum etwas.
Einmal sind wir „himmelhoch jauchzend“, dann wieder „zu Tode betrübt“. Einmal sind wir wagemutig zu allem bereit, ein anderes Mal verkriechen wir uns wie in ein Schneckenhaus, weil wir uns einer Herausforderung nicht stellen mögen. Wem ist es noch nicht so gegangen, dass er einigermaßen ratlos auf sich selbst schaute und sich selbst nicht verstehen konnte?
Diese Gedanken beschreiben zwar noch nicht einmal im Ansatz die Wirklichkeit, die die Hl. Schrift meint, wenn Jesus unreine Geister austreibt. Für sie ist es keine Frage, dass das Böse eine eigenständige Macht ist, die sich der Menschen „be-mächtigt“. Wer die Untiefen dieser Welt wahrnimmt, erahnt auch, dass nicht alles Böse, das es gibt, hinreichend erklärt werden kann aus der Bosheit, zu der der Mensch aus sich selbst in der Lage ist.
Und doch mögen diese Gedanken eine Folie sein, auf der man das Evangelium „alltäglicher“ lesen kann. Jesus spricht und handelt an uns mit göttlicher Vollmacht. Die Menschen in der Synagoge von Kafarnaum erleben betroffen SEINE Befehlsgewalt über die unreinen Geister (V. 27). ER kann uns zu einer neuen Beständigkeit verhelfen und anleiten. Wer sich ganz bewusst von IHM leiten lässt, kann seine Launenhaftigkeit und Wankelmütigkeit vermehrt unter Kontrolle bekommen. Glauben heißt: sich festmachen in Gott – mit allem, was an unserer Standfestigkeit wackelt, was an uns fragwürdig ist.

Sonntag, 22. Juli 2007

Die Qualität der Eindeutigkeit (2 Kor 1, 18-22)

Sie kennen sicher den Spruch: „Die Menge macht es nicht! Qualität statt Quantität!“ Das gilt nicht nur für Ware, die man kaufen kann. Das gilt auch für das gesprochene oder geschriebene Wort. Redner können einen unsäglichen Wortschwall über ihre Zuhörer ergießen, ohne irgendetwas Inhaltsvolles gesagt zu haben. Andererseits kann ein einzelnes, gut platziertes Wort äußerst viel bewirken.
Als Menschen in einer Mediengesellschaft sind wir es fast gewohnt, von allen möglichen Seiten bequatscht zu werden. Unzählige Stimmen dringen auf uns ein, um uns dahin zu bringen, etwas zu kaufen oder etwas zu glauben. Und ihnen geht es oft nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Viele dieser Worte sind hohl, halten nicht, was sie versprechen, haben unausgesprochene Hintergedanken oder sind schlichtweg falsch.
Selbst einfache Worte mit einer eigentlich eindeutigen Botschaft können irreführen. Da sagt jemand Ja, meint aber eigentlich Nein. Und so löst er eine Zusage nur halbherzig ein und macht dadurch mehr kaputt als alles andere. Da sagt einer Nein, meint aber eigentlich Ja. Und durch seinen fehlenden Mut macht er anderen eine Hoffnung zunichte. Jesus sagt einmal: „Euer Ja sei ein Ja und Euer Nein ein Nein. Alles andere stammt vom Bösen.“ (Mt 5,37)
Die Korinther haben ihren leisen Zweifel an der Zuverlässigkeit des hl. Paulus. Er hatte seinen Besuch angekündigt, war aber nicht erschienen. Die Stimmung ist getrübt. Paulus sieht, dass er nicht nur den Ruf seiner Person, sondern auch seiner Botschaft beschädigt hat. Er versichert den Korinthern, dass Jesus nicht als Ja und Nein zugleich gekommen sei. Vielmehr sei in IHM das Ja verwirklicht: „Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat!“ (V. 20)
Ich kann und darf darauf vertrauen, dass Gott das, was er verspricht, auch hält. Kein leeres Geschwätz, eine falschen Versprechungen. Wenn Jesus sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben!“ (z.B. Mk, 2,5), dann sind sie es auch. Wenn Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben!“ (Joh 10,10), dann können wir darauf bauen. Glaube ist Vertrauen in die Verheißungen Gottes. Keine leichte Aufgabe für Menschen, denen das Misstrauen heutzutage sonst beinahe aufgenötigt ist. Ob wir trotzdem den Mut dazu aufbringen?

Samstag, 21. Juli 2007

Vor der Haustür Jesu den Glauben „erden“ (Mk 1, 29-39)

Zu den intensivsten Erfahrungen, die wir machen, gehören sicher die mit Menschen, denen wir uns besonders nahe fühlen. Auf das, was sich in diesen Beziehungen tut oder nicht tut, reagieren wir mit jeder Faser unseres Seins. Auf jede Veränderung im Gefüge von Nähe und Distanz reagieren wir entweder mit Glückseligkeit oder höchstem emotionalen Stress. Das Dasein solcher Menschen ist zutiefst ersehnt, ihr Wegbleiben lässt in ein tiefes Loch fallen. Das sind die leichte und die bittere Seite von Liebe.
Mal ganz ehrlich: Geht es Ihnen mit Gott auch so? Wie empfinden Sie tief in sich in Augenblicken, da sie spüren: ER ist da? Und wie ergeht es Ihnen, wenn Ihnen ist, als sei ER abwesend, für Sie im Augenblick unerreichbar? Wenn Sie da einen großen Unterschied bei sich erkennen, bekommen Sie eine Ahnung davon, was ER Ihnen wirklich bedeutet.
Können Sie auch in Worte fassen, was ER Ihnen bedeutet? Was setzt es in Ihnen frei, wenn Sie sich sicher sind, ER ist an Ihrer Seite und sorgt sich um Sie?
„Alle suchen dich!“ – so empfangen die Jünger im Evangelium ihren Meister. (V. 37) ER hatte sich nur kurz zum Gebet zurück gezogen, SICH eine kleine Auszeit gegönnt, nachdem sich schon einmal die ganze Stadt vor SEINER Haustür versammelt hatte (V. 33). Für viele war das schon zu viel. Die Kranken wollten SEINE Nähe, suchten in ihrem Leiden nach IHM, erhofften von IHM Linderung und Heilung.
Was treibt Sie vor die Haustür Jesu? Was ist Ihre Sehnsucht, wenn Sie nach Jesus Ausschau halten? Was erhoffen Sie sich von IHM? Was ist es, von dem Sie ahnen, dass nur ER es ihnen geben kann? Wenn Sie das benennen können, bekommt Ihr Glaube seine Erdung. Da sind Sie sehr dicht dem Motor Ihrer persönlichen Spiritualität auf der Spur. Hier liegt auch Ihr Zugang zu den Vollzügen des Glaubens, wie Sie Ihre ganz persönliche Verbundenheit mit IHM gestalten können in Gebet und Meditation, in der Feier der Sakramente, im Zeugnis für IHN in Wort und Tat. Die Sehnsucht ist der Ort, wo sich die Botschaft des Glaubens mit Ihrer Person verbindet. Denn eines ist sicher: nicht nur Sie suchen IHN, ER sucht Sie dort auch sehnsüchtig.

Freitag, 20. Juli 2007

Die Herausforderung einer eigenen Meinung (Lk 4, 21-30)

Wie schnell Stimmungen kippen und Meinungen schwanken können, das haben sicherlich die meisten von uns schon mal hautnah erfahren. Eben waren noch alle dafür, plötzlich sind auf einmal alle dagegen. Eben noch fanden alle eine Sache toll, auf einmal meinen alle, es sei Unsinn. So ein Stimmungsumschwung kann nach außen hin viele Ursachen haben. Doch nach innen ist der Grund immer Unsicherheit; sei es, weil man nicht genügend Informationen hat oder einem der Mut zu einer eigenen Meinung fehlt.
Die Menschen in der Synagoge von Nazareth haben so ihre Probleme mit ihrem alten Nachbarn Jesus. SEINE Entwicklung vom gehorsamen Zimmermannssohn zum wundertätigen Wanderprediger können sie nicht einordnen. Das Alte, Vertraute wird fremd. Sie bewundern und beargwöhnen IHN zugleich. Und eine kleine Provokation mit Worten löst in ihnen einen so gewaltigen Stimmungsumschwung aus, dass sie IHN, den sie eben noch beklatscht haben, an den Abgrund der Steinigung führen. Eine Entwicklung, die Lukas dramatisch schildert und dem Leser bzw. Hörer den Atem stocken lässt.
Stimmungen beherrschen uns Menschen mehr, als uns lieb ist. Und von der Meinung anderer machen wir uns abhängiger, als wir eigentlich wollen und offen zugestehen. Glaube an Jesus kann und darf jedoch weder auf einer bloßen Stimmung fußen, noch ein Fähnchen im Wind sein. Die Entscheidung, IHM zu glauben und zu folgen, muss ganz und echt sein.
Schon der greise Simeon hatte bei der Darstellung des Jesus-Kindes im Jerusalemer Tempel prophezeit, dass Jesus ein Zeichen ist, dem widersprochen wird. Viele richten sich an IHM auf, aber auch viele kommen zu Fall. (vgl. Lk 2, 34ff) Hier in der Synagoge von Nazareth zeigt sich, wie wahr diese Prophezeiung Simeons ist. Und auch heute, 2000 Jahre später, hat sich an dieser grundsätzlichen Gefahr nichts geändert. Auch heute ist kaum etwas mächtiger, aber auch anfechtbarer, als die sog. „öffentliche Meinung“ - in einer Medien-Demokratie vielleicht sogar noch mehr als damals. Und sie beeinflusst uns auch im Glauben. Doch Jesus sucht keine Bewunderung, sondern unsere Nachfolge.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Du bist ja schon richtig klein geworden! (Mk 9, 30-37)

„Du bist ja schon richtig groß geworden!“ – es ist kaum zu zählen, wie oft ein Kind im Laufe seiner Kindheit einen solchen oder ähnlichen Satz zu hören bekommt. Dem Kind tut dieser Satz gut. Es möchte ja groß und erwachsen werden. Immer mehr allein und selbstständig können ist ein zentraler Aspekt in der Entwicklung eines Kindes – auch wenn es für die Eltern immer auch bedeutet, das Kind ein Stück loslassen zu müssen, damit es seine eigenen Erfahrungen macht und sein Selbstwertgefühl wächst.
„Du bist ja schon richtig klein geworden!“ – diese Aussage klingt in unseren Ohren wahrscheinlich sehr befremdlich. Kann das ein Zuspruch sein, der einen aufrichtet und gut dastehen lässt? Das Evangelium lässt uns in diese scheinbar paradoxe Richtung denken.
Die Jünger haben zum Thema die Frage, wer unter ihnen der Größte sei – das alte Spiel der Rangordnung. Besser dazustehen und mehr zu gelten als andere steckt als Instinkt in uns Menschen drin. Doch Jesus bestärkt seine Jünger keinesfalls darin, auch wenn dieses Denken „allzu menschlich“ ist. Er lehrt sie, die Kleinsten sein zu können, die Letzten: eben Dienerinnen und Diener.
Ahnen Sie, wo der Stachel sitzt und worin das Lob liegt, wenn jemand also zu einem Christen sagt: „Du bist ja schon richtig klein geworden!“? Du hast begriffen, wie ein Christ in der Nachfolge Jesu lebt und wie er zu seinen Mitmenschen steht und sich ihnen gegenüber verhält. Du kannst dich klein machen, um den anderen groß sein zu lassen. Du stehst so fest in dir selbst und in der Liebe Gottes, dass du um keinen Platz in einer Rangordnung kämpfen brauchst, sondern dem anderen den Vortritt lassen kannst. Du lebst nicht nach Instinkt, sondern nach bewusster Entscheidung der Nachfolge.
Du bist ja schon richtig klein geworden! – Hier geht es nicht um die Kleinheit eines zertretenen Selbstbewusstseins, im Gegenteil: es geht um wahre Größe, die in der Lage ist, von sich selbst absehen zu können. So ein Lob würde uns allen gut stehen, wenn wir es verdienten.

Mittwoch, 18. Juli 2007

Die Kunst des rechten Augenblicks (Mt 11, 20-24)

Wissen Sie, was „Kairologie“ ist? Es ist nicht die Lehre über alles, was die ägyptische Hauptstadt betrifft. Es ist die Lehre vom rechten Zeitpunkt. Die griechische Sprache kennt zwei Wörter, die wir mit „Zeit“ übersetzen können: „chronos“ – das ist die fließende und vergehende Zeit, und dann eben „kairos“ – das meint den richtigen Zeitpunkt, den rechten Augenblick. Wir Christen sollten weniger „Chronologen“ sein, denn um die verfließende Zeit brauchen wir uns nicht mehr allzu sehr sorgen. Sie ist - in ihrer Endlichkeit - in Jesu Tod und Auferstehung in die Weite der göttlichen Ewigkeit aufgegangen. Wir Christen sollten vielmehr verstärkt „Kairologen“ sein. Wir sollten leben mit wacher Aufmerksamkeit und geöffnetem Herzen für den Anruf Gottes; ausgestattet mit einem Gespür für das, was im Augenblick zu tun ist; gestärkt mit der inneren Kraft zur Veränderung, wenn neue Erkenntnisse sich auftun, damit sie nicht wirkungslos verpuffen.
„Kairologie“ beruht auf der Gewissheit, dass Gott ständig und auf vielfältigste Weise mit uns kommuniziert, uns herausfordert, uns Weisung gibt. "Kairologen" wissen, dass ER Hinweise gibt, worauf es jetzt ankommt, dass ER neue Wege weist, dass ER zur Umkehr ruft. ER spricht zu uns direkt in unser Herz oder indirekt über Ereignisse und wie sie zu deuten sind. Die immer wieder im Gebet erflehte und in Diskussionen eingeforderte Offenheit für die sog. „Zeichen der Zeit“ hat hier ihre geistige Grundlage.
Auf dem Auge sind wir Menschen manchmal blind. Oder wir sind zu träge, sehen zwar, was geschieht und könnten sagen, was sich ändern müsste, aber finden nicht die Kraft dazu. Jeder nicht genügend beachtete und genutzte Kairos ist eine verpasste Chance, dem Leben in Fülle schon hier und jetzt einen Schritt näher zu kommen.
Die Einwohner der Städte Chórazin und Betsaída, aber auch von Kafarnaum bekommen von Jesus diese verpassten Chancen mit harschen Worten vor Augen geführt. Jedes von den vielen Wundern, die Jesus in ihrer Mitte gewirkt hat, hätte ihnen deutlich machen müssen, dass Gott in ihrer Mitte ist und sie mit SEINER Vollmacht zur Umkehr bewegen will, zu einem neuen Anfang mit IHM. Doch die Einwohner der drei Städte haben sich von all dem nicht bewegen lassen. Entweder sie waren blind oder zu träge. In den Augen Jesu ist das nicht nachvollziehbar.
Beginnen wir neu damit, „Kairologie“ zu studieren. Die Gottesgabe des Hl. Geistes aus Taufe und Firmung wie das Gottesgeschenk unserer Sinne sind dazu die Zugangsberechtigung. Lassen wir uns von Jesus neu in der Kunst der Wahrnehmung des Augenblicks schulen. „Wahrnehmen“ heißt nicht nur bemerken, sondern das Bemerkte auch wahr sein zu lassen, es als Wahrheit meines Lebens zuzulassen. Dann ist der Weg frei für wirklich wesentliche Veränderungen, die aus den Sackgassen des Alltags führen.

Dienstag, 17. Juli 2007

Von der alltäglichen Ehre Gottes (1 Kor 10, 31- 11,1)

Wenn Sie sich morgens vor dem Spiegel die Haare kämmen, tun Sie das dann zur Ehre Gottes? Die Frage klingt komisch, in den Ohren des einen oder anderen vielleicht sogar absurd. Was soll man dabei schon zur Ehre Gottes tun? Oder wenn Sie Auto fahren, tun Sie das zur Ehre Gottes? Sie meinen, solche Dinge haben nichts mit der Ehre Gottes zu tun? Der Apostel Paulus ist da ganz anderer Meinung. Nach ihr kann man auch die alltäglichste Verrichtung zur Ehre Gottes tun: „Ob ihr esst oder trinkt oder etwas anderes tut, tut alles zur Verherrlichung Gottes!“ (V. 31) Was bedeutet das?
Wie fährt man zur Ehre Gottes Auto? - Wenn ich zur Ehre Gottes Auto fahre, dann fahre ich rücksichtsvoll, bin schwächeren Verkehrsteilnehmern gegenüber zuvorkommend, gefährde niemanden. Oder ich lasse das Auto stehen für Fahrten, die man genauso gut und gesünder mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledigen kann.
Wie kämmt man sich zur Ehre Gottes die Haare? - Wenn ich mich zur Verherrlichung Gottes kämme, dann erkenne ich in mir selbst und pflege mit mir ein Gottesgeschöpf, behandle mich mit Ehrfurcht.
Wie isst und trinkt man zur Verherrlichung Gottes? - Wer zur Ehre Gottes isst und trinkt, dankt Gott für die Gaben der Schöpfung, isst mit Bedacht und Genuss. In Gemeinschaft lässt er alle teilhaben am Mahl und sieht nicht nur den eigenen Teller und wie da am meisten drauf kommt.
Etwas zur Verherrlichung Gottes tun heißt, es bewusst und mit Würde zu tun, mit offenem und dankbarem Blick für das Geschenk, das ER darin grundgelegt hat, und ist bereit, es auch für die anderen fruchtbar werden zu lassen. Wenn ich etwas zur Verherrlichung Gottes tue, erst dann bin ich wirklich Mensch, vollziehe mein Leben, anstatt mich in ihm treiben zu lassen.
Wann habe ich das letzte Mal vor und nach dem Essen gebetet? Wann habe ich Gott das letzte Mal gedankt, dass es mich gibt? Wann habe ich das letzte Mal für den Autofahrer, der mir begegnet, eine Fürbitte gehalten, er möge auch heil an sein Ziel kommen? Merken Sie, wie menschlich warm die Welt wird, wenn wir alles zur Verherrlichung Gottes tun?!

Montag, 16. Juli 2007

Weitergeben, was man empfangen hat (1 Kor 15, 1-11)

In unserer Zeit ist Selbermachen in, nicht nur beim Heimwerken. Es gilt auch für den Glauben. Religionswissenschafter und Zeitgeistforscher haben den „Patchworkglauben“ als Phänomen unserer Zeit herausgestellt. Aus den verschiedenen Konfessionen und Religionen, aus Philosophie und Psychologie, aus Modetrends und vielem mehr bastelt sich der Mensch von heute seinen Glauben bunt zusammen und formuliert seine eigenen Bekenntnisse. Diese können heute so und morgen anders lauten. Dass im Glauben einer Gemeinschaft etwas verbindlich ist, über die Zeiten gültig und unabhängig von zeitlichen Entwicklungen und persönlichen Vorlieben, ist vielen Menschen heute nicht mehr plausibel.
Für den hl. Paulus und nach ihm viele Generationen des Christentums ist ein solches Denken wiederum nicht nachvollziehbar. Das Glaubensbekenntnis ist unantastbar. Es steht in sich. Nicht das Bekenntnis muss sich dem Menschen anpassen, sondern der Mensch sich die Inhalte des Glaubens erobern. Der Glaubende hat die Aufgabe, sich mit dessen Inhalten auseinander zu setzen und hat nicht das Recht, Dinge, die sich ihm im Augenblick nicht erschließen, einfach wegzustreichen. In seinem 1. Brief an die Korinther erinnert Paulus an dieses „Fundamentale“ des Glaubensbekenntnisses, und schließt das Festhalten an seinem Wortlaut ausdrücklich mit ein.
Auch Paulus sieht sich nicht als Macher des Bekenntnisses, sondern als Empfangender, der die empfangene Gabe weiter reicht. Es ist ihm wichtig, dass dieses Weiterreichen unverfälscht von Statten geht. Für ihn ist es noch nicht der Wortlaut des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, wie wir es heute sprechen. Das wird erst wenige Jahrhunderte später so ausformuliert. Doch in inhaltlicher Übereinstimmung mit dem Späteren formuliert er als Kern des christlichen Glaubens die Auferstehung Jesu von den Toten. Wie zentral dieser Teil unseres Glaubens ist, aber zugleich auch, wie gefährdet er ist, zeigen immer wieder Umfragen unserer Zeit, nach denen nur noch eine Minderheit aller Christen wirklich an die Auferstehung der Toten glaubt. Und zugleich muss man nüchtern feststellen, dass die Bereitschaft der Gläubigen, sich über die Inhalte des eigenen Glaubens weiter zu bilden, ausgeprägter sein könnte.
Die Weisungen des hl. Paulus an die Korinther sind heute genauso aktuell wie damals. Es bedarf der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Glauben genauso wie das gewollte und bewusste Sich Anvertrauen an seine Verheißungen. Dann wird er wirklich der Grund, auf dem wir stehen.

Sonntag, 15. Juli 2007

Der etwas andere „Ratgeber Leben“ (Lk 10, 25-37)

Für alles und jedes gibt es mehr oder weniger gute Ratgeber, sei es für Fragen der Gesundheit und der Fitness, zur Renovierung und Dekoration von Räumen, zu Fragen der Mode oder was auch immer. Zeitungen, Fernsehsendungen, Bücher und Internetseiten sind voll davon. Sie finden anscheinend viel Beachtung, sonst würde es sie nicht in solcher Fülle geben. „Was muss ich tun, um…“: das ist ihre Kernfrage. Was muss ich tun, um schlank zu werden, um chic auszusehen, um die Soße zum Braten ohne Klümpchen zu binden oder eine Tapete so anzubringen, dass sie nicht nach zwei Wochen wieder von der Wand fällt? Und für alles und jedes gibt es – tatsächliche oder selbst ernannte - Fachleute, die mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Unsere Schriftstelle ist, wenn Sie so wollen, ein „Ratgeber-Evangelium“. Der Ratsuchende: ein Gesetzeslehrer. Der Fachmann: Jesus. Die Frage: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (V. 25) Man könnte diese Frage auch so formulieren: Wie lebe ich so, dass ich den Sinn meines Lebens und meine Aufgabe nicht verfehle und ich das Ziel meines Lebens, das Gott selbst ist, auch erreiche? Wer stellt heutzutage noch diese Frage?!
Die Frage klingt kompliziert, lässt eine nicht minder komplizierte Antwort erwarten. Doch Jesus lenkt die Aufmerksamkeit des Ratsuchenden lediglich auf das altbekannte Doppelgebot der Liebe, Gott ganz zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. Dann gibt er den lapidaren Hinweis, dieses doch einfach zu beachten: „Handle danach und du wirst leben.“ (V. 28)
So einfach ist das mit dem ewigen Leben? Oder so schnell speist Jesus den Gesetzeslehrer ab? Dem Gesetzeslehrer ist mit der Antwort Jesu augenscheinlich unwohl. Das Problem steckt, wie häufig, im Detail: „Und wer ist mein Nächster?“ (V. 29) Eine seltsame Nachfrage. Sie klingt nach: Wer hat denn Anspruch auf meine Liebe? Wem muss ich sie erweisen? Wem kann ich sie vorenthalten?
Jetzt wird Jesus ganz konkret mit dem berühmten Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Seine Essenz: JEDER ist mein Nächster; jeder, der mir gerade begegnet, unabhängig wer es ist, woher er stammt, was er hat, was er braucht. Barmherzigkeit fragt nach all dem nicht. Nächstenliebe kennt keine Auswahlkriterien. Eine eindeutige Antwort. Für uns Menschen jedoch eine, die es so richtig in sich hat. Denn die Frage: Wer verdient meine Liebe und wer nicht – wir schleppen sie mit uns rum und kommen kaum aus ihren Fängen.
Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? - Selbstlos jedem gegenüber barmherzig sein, weil Gott uns gegenüber bedingungslos barmherzig ist.

Samstag, 14. Juli 2007

Mit der „Goldenen Regel“ in Vorleistung gehen (Lk 6, 27-38)

Die inzwischen sprichwörtlich gewordene „andere Wange“, die man hinhalten soll, muss immer wieder für Belustigungen aller Art herhalten, auch wenn sie alles andere als ein Scherz sein will. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ lehrt Christus seine Jünger und damit auch uns (V.35). Das ist der Ernstfall der Liebe.
Sympathieträger anzunehmen und zu umgarnen ist für uns fast selbstverständlich. Doch diejenigen zu lieben, die einem feindlich gesinnt sind, einem schaden wollen und es auch ganz konkret tun, das ist eine Zumutung. Niemand wird dieses Gebot Jesu unkommentiert und unkritisiert annehmen. Jedem wird wohl sofort mindestens eine Person in den Sinn kommen, der man die Liebe verweigern möchte oder es tut – mindestens ebenso handfest und schädigend, wie man es von ihr empfängt.
„Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – das ist eine klare Aufforderung Jesu, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, des Hasses und der gegenseitigen Ausgrenzung, zu durchbrechen. Dabei sollen wir gerade da in Vorleistung gehen, wo am wenigsten etwas zurück zu erwarten ist. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – das ist die Ermutigung zu einem tieferen Erkennen des vermeintlichen Gegners, der eigentlich als mein Bruder/ als meine Schwester gemeint und auch Kind Gottes ist. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – dass ist die klare Weisung Jesu, dass die Durchsetzung des Ego für einen Christen nicht oberste Priorität hat und nicht das ist, was wahre Stärke ausmacht.
Liebe meint hier sicher nicht das Hegen von besonders zärtlichen Gefühlen, den Zwang, den sog. Feind plötzlich besonders sympathisch zu finden. Das wäre Heuchelei und wertlos. Was mit Liebe gemeint ist, steckt in einer weiteren Weisung in diesem Zusammenhang: „Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.“ (V. 31). Wir kennen dieses Gebot auch als „Goldene Regel“ in der Formulierung: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu! Behandle den anderen so, wie du gerne behandelt werden möchtest.
So klar und einfach ist christliche Nächstenliebe. Man braucht, um sie verstehen zu können und zu leben, kein Theologiediplom, sondern einfach nur gesunden Menschenverstand, das Herz auf dem rechten Fleck und die nötige Portion Konsequenz. Aber wahrscheinlich wird es genau deshalb zugleich wieder schwer und kompliziert, weil es uns oft genau daran mangelt. Gott sei Dank kann man immer wieder neu damit anfangen.

Freitag, 13. Juli 2007

Durch Gebet zur Einheit (Joh 17, 20-26)

„Bete für mich!“ – diese Bitte ist sicherlich schon mal an Sie herangetragen worden. Oder Sie selbst haben andere schon einmal darum gebeten. Einander in unseren Anliegen Fürsprecherinnen und Fürsprecher bei Gott zu sein, ist für uns Christen etwas Selbstverständliches. Wir vertrauen auf die Kraft des Gebetes. Es sind keine Worte ins Nichts. Sie sind vielmehr hineingesprochen, hineingefleht in das hörende und liebende Herz Gottes, das ein Interesse an uns hat, der unser Heil will. Und es ist eine zentrale Aussage über uns Menschen selbst, dass wir eine Antenne haben zu Gott, in einem direkten Draht mit IHM in Kontakt stehen. Wir dürfen den Himmel bestürmen, können Gott nie lästig fallen. Wir dürfen mit all unseren Bitten zu IHM kommen. Jesus ermuntert uns dazu an mehreren Stellen in den Evangelien.
In dieser Stelle aus dem sog. „hohepriesterlichen Gebet“ Jesu bei Johannes hören wir Jesus für uns beten. ER bittet um die Einheit aller, die an IHN glauben. Dabei meint Einheit keinen losen Verbund, keine irgendwie geartete Gemengelage, sondern die gleiche tiefe Einheit, die IHN mit dem Vater verbindet. Ein Herz, eine Seele eine Denke, ein gemeinsamer Weg, ein gemeinsames Ziel und die absolute Lauterkeit der Absicht. Eine solche Einheit der Glaubenden untereinander ist IHM augenscheinlich ein echtes Herzensanliegen. Sie ist der Garant für die Glaubwürdigkeit der Botschaft von der Liebe des Vaters.
Einander ins Gebet nehmen – einander um ein Gebet bitten in einem persönlichen Anliegen – die Gemeinschaft der Kirche, ja die ganze Welt ins Gebet nehmen – wir sind eingeladen, einander diesen Liebesdienst immer wieder zu erweisen. Wo wir es schaffen, miteinander und füreinander zu beten, entsteht auch immer ein Klima des Vertrauens und der Nächstenliebe. Beten schafft echte Solidarität. Alles dies ist Grundlage der Einheit, die Jesus für uns beim Vater erbittet. So ist auch verständlich, warum Jesus SEIN Anliegen um Einheit nicht im Rahmen einer Predigt darlegt sondern im Gebet. ER nennt nicht nur SEIN Anliegen, ER weist auch den Weg dahin durch SEIN Tun.

Donnerstag, 12. Juli 2007

Den Weg vom Ziel her sehen und gehen lernen (Lk 9, 51-62)

Da muss man schon zweimal hinschauen: es kommen Menschen zu Jesus voll gutem Willen, IHM nachzufolgen. Und ER bombardiert sie mit Ansprüchen, dass einem der Atem stockt. Sollte ER sich nicht besser über die Bereitschaft dieser Menschen freuen, die Latte etwas tiefer hängen und sie ermutigen? Auch wir sind erschrocken über SEINE Rigorosität und müssen eingestehen, wohl keiner SEINER Anforderungen zu entsprechen. Wir sind gut eingerichtet, lassen uns gerne von allem möglichen ablenken und haben des Öfteren unseren Zweifel. Heißt das, dass wir alle für das Reich Gottes nicht taugen? SEINE deutlichen Worte weichklopfen hilft genauso wenig wie sie einfach als unerfüllbar zurückweisen. Wir müssen uns ihnen stellen. Der Stachel sitzt.
Der erste Vers dieses Abschnitts ist gleichsam die Brille, durch die das „Ungeheuerliche“ gelesen werden muss: „Als die Zeit herankam, in der Jesus in den Himmel aufgenommen werden sollte, entschloss er sich, nach Jerusalem zu gehen.“ (V.51) Nach Jerusalem gehen – das bedeutet, sich dem Kreuz stellen, Leid und Tod auf sich nehmen. Es wird also ernst. Es ist Zeit der Entscheidung. Jesus ist entschlossen. Und diese Entschlossenheit der Nachfolge wünscht er sich auch von seinen Jüngern. Wir kennen die Dramen und menschlichen Tragödien, die sich unter den Jüngern am Kreuzweg abspielen aufgrund mangelnder Entschlossenheit.
Kreuz, Leiden und Tod werden in diesem Vers jedoch mit ganz anderen Worten zum Ausdruck gebracht. Es ist stattdessen die Rede von der „Zeit, in der Jesus in den Himmel aufgenommen werden sollte“. Lukas schlägt die Brücke viel weiter, über das Leiden hinaus zur Himmelfahrt Jesu, zum geöffneten Himmel, zum Leben in Fülle, zum endgültigen Ziel SEINES Heilweges. Der Weg, den Jesus weist, und der so unsagbar fordernd uns in den Ohren liegt, er lässt sich nur gehen immer fest mit dem Ziel des ganzen im Blick. Er wird nur gangbar mit der Gewissheit, dass Nachfolge Jesu nicht vergebens oder irrig ist, sondern in Heil mündet. Der den Weg geht, landet, trotz aller dunklen Etappen, direkt bei Gott. Das heißt „Glauben“. Zu ihm gehört auch eine Spur Unbeirrbarkeit. Nachfolge gelingt dem, der sich in dieser Gewissheit wirklich festmacht und sich ganz auf das Ziel hin ausrichtet.

Mittwoch, 11. Juli 2007

Mit Gott um einen neuen Namen ringen (Gen 32, 23-33)

In den Ordensgemeinschaften ist diese Tradition noch lebendig: Mit der Profess bekommt der Kandidat/ die Kandidatin einen neuen Namen. Aus einem Klaus Müller wird ein Bruder Barnabas, aus einer Angelika Meyer eine Schwester Anna. Der neue Name ist Zeichen der neuen Existenz als Ordensmann/-frau: er bzw. sie ist nun mit Leib und Seele ganz im Dienst Gottes und der Nachfolge Jesu, und damit angekommen in einem neuen Leben. In manchen Ländern ist es guter Brauch, dass ein Täufling bei der Taufe zu den Namen, die die Eltern ihm gegeben haben, noch einen weiteren hinzu bekommt als Ausdruck seiner neuen Würde als Kind Gottes. Wenn einem ein neuer Name gegeben wird, ist das Ausdruck von etwas ganz besonderem, da die überwiegende Mehrheit ihren Namen ein Leben lang unverändert beibehält und man seinen Namen nicht einfach – mir nichts, dir nichts – wechselt.
Jakob bekommt einen neuen Namen. Er bekommt ihn von jemand, der ihn eine ganze Nacht lang in einen Ringkampf verwickelt hat. Dieser selbst will Jakob seinen Namen nicht sagen. Über den neuen Namen verrät er seine Identität dann doch. Er gibt Jakob von nun an den Namen „Israel“ und das heißt übersetzt „Gottesstreiter“ (V.29). Gott hat mit ihm gerungen. Und er mit Gott.
Ein Name in jenen Zeiten ist viel mehr als heute. Er ist Programm, ist Wesensausdruck. Und wenn Jakob, der Stammvater eines ganzen Volkes ist, das von nun an „Gottesstreiter“ heißt, dann drückt das etwas über das Wesen des ganzen Volkes aus.
„Gottesstreiter“ kann mehrfaches heißen: Es kann bedeuten „für Gott streiten“, für seine Sache und seine Anliegen. Es kann aber auch „mit Gott streiten“ heißen, mit IHM im Kampf liegen. Die Auseinandersetzung für und mit Gott auf allen nur denkbaren Ebenen – persönlich, sachlich, inhaltlich – das ist Kennzeichen des Volkes Israel. Damit ist es Kennzeichen eines jeden, der im Bunde Gottes steht. Es ist auch Kennzeichen eines jeden Getauften.
Der Kampf mit Gott, sei es für SEINE Sache oder mit IHM selbst - ist ein Ringen in Augenhöhe und Hautkontakt, so wie bei Jakob. Man muss damit rechnen, Blessuren davon zu tragen, so wie Jakob. Man kann IHM beikommen, so wie Jakob. Man geht von IHM gesegnet aus dem Kampf hervor, so wie Jakob.
In der Nähe Gottes ist halt nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“. Manchmal geht es dort hart zur Sache, weil das Leben mit uns manchmal hart zur Sache geht. Mit Gott ringen, kämpfen, streiten hat nichts ehrenrühriges, ist nichts moralisch Zweifelhaftes. Es ist schlicht Selbstverwirklichung der Berufung in SEINE Nähe.

Dienstag, 10. Juli 2007

In den Extremen Gottes standhalten (Gen 22, 1-19)

Wenn wir im Leben Extremen begegnen, Dinge, die uns an unsere Grenzen führen und vielleicht sogar darüber hinaus, haben diese auf uns eine zweifache Wirkung: einerseits wirken sie faszinierend und ziehen uns an; andererseits wecken sie aber auch Furcht und stoßen uns ab.
Gott selbst hat von uns Menschen diese Doppelwirkung seit Alters her als zentrale Eigenschaft zugeschrieben bekommen, lateinisch ausgedrückt: „tremendum et fascinosum“. Und das, weil Gottes- erfahrungen uns Menschen immer bis an unsere Grenzen führen, und nicht selten gar darüber hinaus.
Die Erzählung von der Opferung Isaaks schildert uns diese menschliche Ur-Erfahrung auf sehr drastische Weise. Gott stellt Abraham auf die härtest denkbare Probe. Ist Abraham bereit, im Vertrauen auf Gott, IHM wirklich alles auszuliefern, selbst seinen größten Stolz, sein Kostbarstes, seine Zukunft: seinen Sohn? Was für eine Grenzerfahrung! Und nicht nur Jahwe in SEINER Forderung, auch der Glaube, das Vertrauen und die Konsequenz Abrahams sind „tremendum et fascinosum“ zugleich.
Die Lektion, die Abraham daraus in der Frage „Wer ist Gott für mich?“ ziehen kann, ist nicht minder atemberaubend. Sie hat nicht nur ihn selbst geprägt, sondern hat Nachhall gefunden in allen nachfolgenden Generationen bis heute: Gott ist nicht nur „tremendum et fascinosum“, er ist zugleich absolut vertrauenswürdig.
Freilich, um diese Erkenntnis – wenn sie mehr sein soll als eine Kopf-Wahrheit – muss jeder noch einmal ganz persönlich ringen, wenn es darum geht, sich ganz dem Willen Gottes und SEINER Fügung auszuliefern. Da werden wir den gleichen Angstschweiß auszustehen haben, wie Abraham es musste. Und doch können wir in den Prüfungen, in denen wir stehen, auf ihn schielen, auf seinen Mut, auf seinen Glauben, sein Vertrauen, seine Konsequenz. Darin ist er Vater der Glaubenden.
„Der Herr sieht“ – so nennt Abraham den Ort seiner Prüfung (V.14). Bitten wir Gott, den Herrn, dass auch wir die Orte, wo ER unser Vertrauen auf die Probe stellt, so nennen können.

Montag, 9. Juli 2007

Gottesfurcht, die die Angst besiegt (Mt 10, 26-33)

Wovor hast Du Angst? Vor der Zukunft? Vor großen Herausforderungen? Vor Krankheit? Vor dem Tod? Das sind in der Tat Dinge, vor denen Angst zu haben durchaus nachvollziehbar ist.
Hast Du auch Angst vor Menschen? Genauer gefragt: Vor welcher Sorte Menschen hast Du Angst? - Die eine Bedrohung darstellen? Die Deine Existenz, Deine Art zu leben, was Du denkst, glaubst und tust, in Frage stellen? Die nicht Beifall klatschen, sondern Dich hinterfragen, Dich in Frage stellen?
Die Folgen von Menschenfurcht können vielfältig sein. Einige bringt sie dazu, sich zu verkriechen. Andere verdrehen und verstellen sich, bis sie von denen, die sie in Frage stellen, akzeptiert werden. Menschenfurcht hemmt die Entfaltung des Ich, macht kleinmütig, erzeugt Minderwertigkeitsgefühle.
Was hilft gegen Menschenfurcht? Das Evangelium antwortet: Gottesfurcht. Wer sich Gott gegenüber verantwortlich weiß, geht vor irdischen Mächten nicht so einfach in die Knie. Wer sich selbst als Gottes Geschöpf, von IHM gewollt und geliebt, mit großartigen Gaben ausgestattet und in Dienst genommen weiß, wird nicht so leicht in Gefahr geraten, zu klein von sich zu denken. Vielmehr wird er mutig in eigener Sache auftreten und anderen das gleiche Recht einräumen.
Gottesfurcht hat folglich nichts mit Angst zu tun. Denn Gott, der uns zu großen Taten motiviert, ist derselbe Gott, der sogar alle Haare auf unserem Kopf gezählt hat, der uns näher ist, als wir uns selber nahe sind und der für uns sorgt.
"Fürchtet euch nicht vor den Menschen!" ruft Jesus uns zu (V. 26). Bekenne Dich dazu, dass Du Christ bist. Versteck es nicht. Auch nicht, wenn die Mehrheit der Gesellschaft nicht Beifall klatscht, sondern die Nase rümpft. Steh dazu, dass Dir der sonntägliche Kirchgang wichtig ist. Zeige, dass das regelmäßige Beten Dir Halt und Hoffnung bedeutet. Sprich davon, dass für Dich das Leben ein Geschenk Gottes ist, auf das der Mensch in keiner Lebensphase einen Zugriff hat. Erzähle, dass Du dich in deiner Pfarrgemeinde engagierst und sie Teil Deines Zuhauses ist.
Uns Christen braucht Menschenfurcht nicht zu befallen mit diesem Gott im Rücken.

Das Loblied auf die Schweine von Gadara (Mt 8, 28-34)

Wenn das Stichwort "Gadara" oder "Gerasa" fällt, fällt den meisten Bibellesern sicher sofort die Schweineherde ein, die sich - mit Dämonen beladen - den Abhang in den See hinabstürzt. Was für ein Drama! Es ist an der Zeit, das "Loblied auf die Schweine" zu singen:
Augenscheinlich sind für uns Menschen Schweine unersetzlich. Nicht nur, dass wir nahezu jede Faser ihres Leibes zu nutzen wissen, sondern genauso, weil sie Allesfresser sind. Zu jeder größeren Küche gehörte früher der sog. "Schweine-Eimer". In ihm wurden alle Essensreste gesammelt, die nicht mehr wieder verwendbar waren, damit sie von den Schweinen auf natürliche Weise entsorgt werden. Im Evangelium dienen Schweine sogar zur Entsorgung von Dämonen.
Die beiden Besessenen, die in den Grabhöhlen von Gadara - mit Dämonen beladen - hausten, werden dies sicher mehr zu schätzen gewusst haben als die Bewohner von Gadara selbst. Ihnen ist das ganze gar nicht geheuer und sie bitten Jesus, ihr Gebiet zu verlassen.
Mit welchen Augen schaue ich auf dieses Geschehen? Mit den Augen der Bewohner von Gadara, die sich erschrocken und verwirrt abwenden? Oder mit den Augen der beiden Besessenen, die, von Dämonen getrieben und zugleich voller Sehnsucht nach Befreiung, aus den Grabhöhlen auf Jesus zu rennen?
Hier wäre jetzt eine Chance, den Herrn in SEINER göttlichen Vollmacht zu bitten, ER möge alles von uns nehmen, was uns fesselt, fremdbestimmt oder auch immer hindert, wirklich von Gottes gutem Geist geleitete Menschen zu sein. ER möge es - biblisch gesprochen - in die Schweine jagen - d.h. ent-sorgen, wörtlich: "aus unsere Sorge nehmen". Dann können wir befreit in das Lob der Erlösten einstimmen und Gott von ganzem Herzen dienen.

Sonntag, 8. Juli 2007

Mit Jesus auf Sendung (Lk 10, 1-12.17-20)

Aus dem Fernsehen kennen Sie sicher bei Live-Übertragungen die Redewendung: „Wir sind auf Sendung“. Meistens leuchtet dann irgendwo ein rotes Licht im Studio. Jetzt darf nichts mehr schief gehen, alle Beteiligten arbeiten unter höchster Konzentration und auch die Technik muss in dieser Zeit unbedingt mitspielen. Wenn ein Moderator sich verhaspelt, ein Mikrofon nicht funktioniert oder gar die Sendeleitung zusammenbricht, sind das kleine Katastrophen. Denn was jetzt geschieht, geschieht nicht mehr im Verborgenen, sondern in aller Öffentlichkeit.
Das Evangelium berichtet und von der Aussendung der 72 Jünger, dass sie Arbeiter im Weinberg des Herrn seien. Das erinnert uns: Die Kirche ist, wenn Sie so wollen, „auf Sendung“. Jesus, unser Drehbuchschreiber, Regisseur und Produzent in einer Person, hat uns „auf Sendung“ gebracht. ER stellt uns aus der Privatsphäre der Beziehung zu IHM in das Licht der Öffentlichkeit, um Zeugnis zu geben von dieser Beziehung und dem Glück und das Heil, das sie schenkt.
Jesus hilft, dass die Sendung gelingt. ER gibt Tipps, sagt uns, worauf es dabei ankommt und worauf nicht. ER bereitet die Jünger auch auf Pannen vor und wie man angemessen damit umgeht. ER lehrt sie, sich im Licht der Öffentlichkeit nicht verschämt zu verstecken, sondern sich mutig zu zeigen, und mutig zur Botschaft zu stehen. In die Öffentlichkeit zu gehen braucht Selbstbewusstsein. Jesus schenkt sie uns: „Seht, ich habe euch Vollmacht gegeben…“ (V.19).
Lassen wir uns von ihm immer neu stärken, um mutig und angstfrei auf Sendung gehen zu können. Wenn wir uns bei IHM versammeln, wie es bei uns Christen am Sonntag, dem Tag des Herrn, guter Brauch ist, lehrt ER uns, Lampenfieber abzulegen und immer neu auf IHN zu vertrauen. Denn nicht die Einschaltquote entscheidet vordergründig über den Erfolg einer Sendung, sondern letztlich die Qualität ihres Inhalts.

Samstag, 7. Juli 2007

Im Namen Gottes anfangen - damit es gelingt (Joh 21, 1-19)

Das Kreuzzeichen am Anfang eines Gottesdienstes oder zu Beginn eines Gebetes ist oft eine kaum bewusst vollzogene Geste. Dabei ist es eine ziemlich wichtige, die sogar eine Grundhaltung im Leben eines Christen überhaupt darstellt.
Die Worte, die dazu gesprochen werden, geben einen entscheidenden Hinweis: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Was wir uns anschicken zu tun, wenn wir ein Kreuzzeichen machen, tun wir „im Namen“ Gottes. Was bedeutet das? Wenn man es umschreiben möchte, könnte man sagen: Wir tun es in SEINEM Auftrag, auf IHN hin, auf SEIN Wort hin, IHM zur Ehre.
Das ist in der Tat nicht nur eine genuin christliche Haltung im Hinblick auf Gebet und Gottesdienst. Eigentlich gehört, so gesehen, ein Kreuzzeichen vor allem, was wir tun und lassen, sagen und beabsichtigen.
So muss sich all dies nämlich einerseits die Prüfung gefallen lassen, ob das was wir vorhaben, auch den Maßstäben der Liebe Christi standhalten kann. Das kleine Kreuzzeichen wird hier zu einer großen Hilfe zu einem bewussten Glauben und zu einem bewussten Leben aus dem Glauben.
Auf der anderen Seite vergewissern wir uns so noch einmal SEINER Hilfe, SEINEM Beistand und SEINEM Mitgehen. Und wer kann diese Vergewisserung - gerade bei schweren Gängen und großen Heraus- forderungen - nicht gebrauchen?
Alles, was wir im Alltag tun, würde mit dem Bewusstmachen, dass wir es in SEINEM Namen, auf SEIN Wort hin tun, eine neue Qualität bekommen, stünde unter einem ganz neuen Stern, hätte die Zusage SEINES Segens.
Wir können dies aus dem Oster-Evangelium vom reichen Fischfang lernen. Die Jünger fischen lustlos und erfolglos. Die vielen offenen Fragen, die Karfreitag und Ostern bei Ihnen hinterlassen haben, lähmen sie und es gelingt ihnen nichts. Auf das Wort Jesu hin, werfen sie die Netze noch einmal aus und der Fang gelingt. Er gelingt nicht nur, er wird ein überwältigendes Erlebnis. Jesus hat ihnen gezeigt, wie sie es anfangen sollen: auf SEIN Wort hin. Und so haben sie - bildlich gesprochen - das Kreuzzeichen davor gemacht: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Fangen wir auch an, wirklich in SEINEM Namen zu reden und zu handeln. Es unterliegt der Verheißung, dass sich so viele Blockaden lösen.

Der hl. Apostel Thomas und sein Zweifel (Joh 20,24-29)

Wenn jemand im Kreis gläubiger Menschen seinen Zweifel am Glauben kundtut, muss er sich u. U. darauf einstellen, dass ein Bekehrungsversuch in Form eines gewaltigen Wortschwalls der Rechtfertigung über ihn hereinbricht. Meistens ist die Ursache dafür die, dass die Glaubenden den Zweifel des Zweifelnden irgendwie persönlich nehmen, als Angriff auf die eigene Gläubigkeit fehl deuten, den Zweifel moralisch werten. Dabei heißt Zweifel nicht immer gleich "Ich glaub nix - mir fehlt nix", vielleicht "Mir fehlt etwas, und was du sagst würde mich weiter bringen, nur ich finde keinen Zugang dazu". Auf jeden Fall ist ein Wortschwall der Rechtfertigung so ziemlich das letzte, was ihm weiterhilft. Was ihm fehlt, ist eine Erfahrung, eine Begegnung.
"Selig sind, die nicht sehen und doch glauben", sagt Jesus (V. 29). Und es hören nicht wenige daraus auch einen moralischen Appell, allein auf das Wort der Verkündigung hin zu glauben. Dabei besagt es nicht mehr oder weniger, als dass der zu beglückwünschen ist, der diese Offenheit, dieses Vertrauen hat.
Der Apostel Thomas ist im kirchlichen Gedächtnis vorwiegend als der Zweifelnde verankert. Warum er am Osterabend nicht bei den anderen Jüngern war, wissen wir nicht. Vielleicht brauchte er nach den sich überstürzenden Ereignissen der vorangegangenen Tage einfach Abstand. Jesus schenkt ihm nun nachträglich die Begegnung, die die anderen Jünger schon erleben durften, so dass auch Thomas als Apostel Zeuge der Auferstehung sein kann.
Ich lese dieses Oster-Evangelium mit der Brille des Gleichnisses des Guten Hirten, der dem Verlorenen nachgeht, bis er es findet und es dann heim trägt zur Herde. Man kann es auch lesen mit der Brille des Gleichnisses vom Barmherzigen Vater, der seinem Sohn entgegen läuft, ihm um den Hals fällt und ihn ohne langes Erklären und jegliche Vorwürfe wieder aufnimmt. Und dann ist wegen dieser Erfahrung doch wohl Thomas selig zu preisen, weil er nicht nur die ganze Lebendigkeit, sondern zugleich die ganze Barmherzigkeit Jesu in voller Wucht erfahren durfte.
Vor Gott gilt auch die ehrlich angenommene Schwäche; an die knüpft Jesus genauso an wie am Vertrauen dessen, der sich ohne diese Umwege auf SEINE Weg einlassen kann. Es ist gleich viel wert, ob du nun auf den urchristlichen Ostermorgen-Gruß "Der Herr ist auferstanden!" überzeugt antwortest mit "Er ist wahrhaft auferstanden!" oder zaghaft mit "Ich möchte glauben, Herr, hilf meinem Unglauben!"