Dienstag, 7. August 2007

Wie barfüssige Ehrfurcht Fremdes vertraut macht (Ex 3, 1-15)

Wie gesellschaftliche Regeln des Anstandes sich doch wandeln und kulturell unterschiedlich sind! In unseren Breiten schickt es sich z.B. nicht für einen Herrn, in der Kirche den Hut aufzulassen. Dagegen ohne Kopfbedeckung eine Synagoge zu betreten ist undenkbar. Würden Sie barfuss in eine Kirche gehen? Sie meinen, das ziemt sich nicht?
Mose soll sich die Schuhe ausziehen, denn der Ort, wo er steht und die Begegnung mit Gott hat, ist heiliger Boden (V.5). Er ist heiliger Boden durch die Gegenwart Gottes. Gott erscheint Mose in Gestalt eines Engels in einem Dornbusch, der brennt, aber nicht verbrennt (V.2). Und ER verlangt von Mose, dass er sich mit unmittelbarem Erdkontakt auf seine Füße stellt, wenn ER mit ihm redet.
Wenn Gott uns von Angesicht zu Angesicht begegnet, dann ist und bleibt ER doch der ganz Andere, ist unserem Zugriff entzogen, selbst wenn ER uns ganz nahe kommt. Es klingt paradox: ER ist und bleibt uns "fremd-vertraut". Wir leben in SEINER Gegenwart, sprechen regelmäßig mit IHM, haben ein Bild, eine Vorstellung von IHM in uns. Doch wenn ER uns dann ganz konkret ganz nahe kommt, zeigt ER SICH uns ganz anders, als unsere Vorstellungskraft es fassen kann. Das fordert von uns eine große Portion Offenheit, IHM an dem Ort und auf die Art zu begegnen, wie ER es vorgibt.
Diese Gegenwart verlangt von uns Menschen die Haltung der Ehrfurcht. Erfurcht ist eine Haltung, die vielen Zeitgenossen heute fremd ist wie das Wort selbst. Gemeint ist eine Art Achtung und Respekt vor SEINER Größe und SEINEM Geheimnis. Wir Katholiken üben sie z.B. in unserer Liturgie im Gotteshaus, auch wenn sie nie nur auf diesen Bereich beschränkt bleiben darf. Wir machen eine Kniebeuge vor den leibhaftig anwesenden Herrn im Tabernakel. Wir knien nieder bei der Wandlung oder stehen ehrfürchtig beim Hören der Worte und Taten Jesu im Evangelium, das ihn in unserer Mitte lebendig werden läßt. Und wenn sogar die Begegnung mit jedem Menschen zu einer Gottesbegegnung werden kann (siehe Mt 25,40), dann wird Ehrfurcht zu einer Grundhaltung des Menschen bis hinein in den Alltag.
So lernt Mose seinen Gott kennen. Er ist der „Gott der Väter“ (Vv 6+13). Wir stehen in unserem Glauben in der Linie unserer Vorfahren, die uns den Glauben überliefert haben. Niemand kann sich seinen Glauben selber machen. Er ist uns geschenkt. Echte Gotteserfahrungen haben nicht nur Bedeutung für einen einzelnen, der sie erlebt. Sie tragen Generationen. Und er ist der „Ich bin da“ (V.14). SEINE Gegenwart ist SEIN Name, d.h. SEIN Kennzeichen, SEIN Wesensmerkmal schlechthin. Ein deutliches Signal an alle, die IHN leugnen oder behaupten, ER sei in dieser Welt nicht mehr anwesend und hätte SICH schon abgewandt. Doch das widerspräche SEINEM Wesen. Wer ehrfürchtig mit beiden Beinen auf der Erde steht, dem wird das nicht verborgen bleiben.