Sonntag, 29. Juli 2007

Auf dem "Basar" Gottes (Gen 18, 20-32)

Die Orte Sodom und Gomórra sind sprichwörtlich geworden. Sodom und Gomórra stehen für Abartigkeit und Perversion, für moralisches Chaos der schwersten Art. Wenn gesagt wird, hier ginge es zu wie in Sodom und Gomórra, dann heißt das, dass Abscheu und Ekel die einzig angemessene Gefühlregung sind über die Zustände, die herrschen, und die klare Distanzierung die einzig vertretbare Reaktion. Mit Sodom und Gomórra will man am liebsten nichts zu tun haben - zumindest nicht offiziell, denn Abartigkeit und Perversion wecken immer auch unsere Neugierde und ziehen uns an.
Jedoch selbst Sodom und Gomórra haben einen Fürsprecher: Abraham. Für ihn scheint es nicht vorstellbar, dass ein ganzer Ort mit ALLEN, die dort leben, so verdorben sein könnte. Es muss dort doch auch Gerechte geben, Menschen, die anders leben als die Mehrheit es tut, deren Unrecht, im wahrsten Sinn des Wortes, zum Himmel stinkt. Auch Gott will es ganz genau wissen und steigt dafür extra herab.
Um der möglichen Gerechten willen versucht Abraham, Gott SEINE Unheilspläne für diese beiden Ortschaften auszureden. Doch wie viel Gerechte „kostet“ das Verschonen von Sodom und Gomórra? Was ist die Mindestanzahl? Fünfzig? Fünfundvierzig? Vierzig? Dreißig? Zwanzig oder Zehn? Abraham ist sichtlich unwohl in seiner Rolle, weil er spürt, dass ihm solch ein Handel mit Gott nicht zusteht. Und doch zieht er ihn konsequent durch.
Was auf den ersten Blick wie ein frommer orientalischer Basar anmutet, ist in Wirklichkeit ein Ausloten der Tiefe der Barmherzigkeit Gottes. Es geht ja nicht nur darum, Unschuldige vor dem Erleiden ungerechter Strafe zu retten. Es geht vielmehr darum, um einiger weniger Gerechte willen ALLEN zu vergeben, auch den größten „Moralchaoten“: Wo alle an ihrem Sinn vorbei leben, verliert etwas seine Existenzberechtigung. Doch wenige darunter, die glaubhaft Zeugnis geben, können alle retten.
Hier, zwischen Abraham und Gott, endet der Handel bei Zehn. Gott wird diese Barmherzigkeit jedoch noch auf die Spitze treiben und auf die kleinste denkbare Anzahl reduzieren. Am Ende wird zur Vergebung von Schuld ein einziger Gerechter genügen. Und dieser Eine ist nicht ein Mensch unter anderen, sondern Gottes Sohn. ER selbst, der in allem uns gleich war außer der Sünde, wird es regeln für uns, dass alle gerettet werden.
Wo immer Sodom und Gomórra auch liegen: auf „Gottes Basar“ wird niemand über den Leisten gezogen und um Besitz und Leben gebracht. Vielmehr bekommen alle alles geschenkt.