Mittwoch, 11. Juli 2007

Mit Gott um einen neuen Namen ringen (Gen 32, 23-33)

In den Ordensgemeinschaften ist diese Tradition noch lebendig: Mit der Profess bekommt der Kandidat/ die Kandidatin einen neuen Namen. Aus einem Klaus Müller wird ein Bruder Barnabas, aus einer Angelika Meyer eine Schwester Anna. Der neue Name ist Zeichen der neuen Existenz als Ordensmann/-frau: er bzw. sie ist nun mit Leib und Seele ganz im Dienst Gottes und der Nachfolge Jesu, und damit angekommen in einem neuen Leben. In manchen Ländern ist es guter Brauch, dass ein Täufling bei der Taufe zu den Namen, die die Eltern ihm gegeben haben, noch einen weiteren hinzu bekommt als Ausdruck seiner neuen Würde als Kind Gottes. Wenn einem ein neuer Name gegeben wird, ist das Ausdruck von etwas ganz besonderem, da die überwiegende Mehrheit ihren Namen ein Leben lang unverändert beibehält und man seinen Namen nicht einfach – mir nichts, dir nichts – wechselt.
Jakob bekommt einen neuen Namen. Er bekommt ihn von jemand, der ihn eine ganze Nacht lang in einen Ringkampf verwickelt hat. Dieser selbst will Jakob seinen Namen nicht sagen. Über den neuen Namen verrät er seine Identität dann doch. Er gibt Jakob von nun an den Namen „Israel“ und das heißt übersetzt „Gottesstreiter“ (V.29). Gott hat mit ihm gerungen. Und er mit Gott.
Ein Name in jenen Zeiten ist viel mehr als heute. Er ist Programm, ist Wesensausdruck. Und wenn Jakob, der Stammvater eines ganzen Volkes ist, das von nun an „Gottesstreiter“ heißt, dann drückt das etwas über das Wesen des ganzen Volkes aus.
„Gottesstreiter“ kann mehrfaches heißen: Es kann bedeuten „für Gott streiten“, für seine Sache und seine Anliegen. Es kann aber auch „mit Gott streiten“ heißen, mit IHM im Kampf liegen. Die Auseinandersetzung für und mit Gott auf allen nur denkbaren Ebenen – persönlich, sachlich, inhaltlich – das ist Kennzeichen des Volkes Israel. Damit ist es Kennzeichen eines jeden, der im Bunde Gottes steht. Es ist auch Kennzeichen eines jeden Getauften.
Der Kampf mit Gott, sei es für SEINE Sache oder mit IHM selbst - ist ein Ringen in Augenhöhe und Hautkontakt, so wie bei Jakob. Man muss damit rechnen, Blessuren davon zu tragen, so wie Jakob. Man kann IHM beikommen, so wie Jakob. Man geht von IHM gesegnet aus dem Kampf hervor, so wie Jakob.
In der Nähe Gottes ist halt nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“. Manchmal geht es dort hart zur Sache, weil das Leben mit uns manchmal hart zur Sache geht. Mit Gott ringen, kämpfen, streiten hat nichts ehrenrühriges, ist nichts moralisch Zweifelhaftes. Es ist schlicht Selbstverwirklichung der Berufung in SEINE Nähe.