Samstag, 14. Juli 2007

Mit der „Goldenen Regel“ in Vorleistung gehen (Lk 6, 27-38)

Die inzwischen sprichwörtlich gewordene „andere Wange“, die man hinhalten soll, muss immer wieder für Belustigungen aller Art herhalten, auch wenn sie alles andere als ein Scherz sein will. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ lehrt Christus seine Jünger und damit auch uns (V.35). Das ist der Ernstfall der Liebe.
Sympathieträger anzunehmen und zu umgarnen ist für uns fast selbstverständlich. Doch diejenigen zu lieben, die einem feindlich gesinnt sind, einem schaden wollen und es auch ganz konkret tun, das ist eine Zumutung. Niemand wird dieses Gebot Jesu unkommentiert und unkritisiert annehmen. Jedem wird wohl sofort mindestens eine Person in den Sinn kommen, der man die Liebe verweigern möchte oder es tut – mindestens ebenso handfest und schädigend, wie man es von ihr empfängt.
„Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – das ist eine klare Aufforderung Jesu, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, des Hasses und der gegenseitigen Ausgrenzung, zu durchbrechen. Dabei sollen wir gerade da in Vorleistung gehen, wo am wenigsten etwas zurück zu erwarten ist. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – das ist die Ermutigung zu einem tieferen Erkennen des vermeintlichen Gegners, der eigentlich als mein Bruder/ als meine Schwester gemeint und auch Kind Gottes ist. „Ihr aber sollt eure Feinde lieben!“ – dass ist die klare Weisung Jesu, dass die Durchsetzung des Ego für einen Christen nicht oberste Priorität hat und nicht das ist, was wahre Stärke ausmacht.
Liebe meint hier sicher nicht das Hegen von besonders zärtlichen Gefühlen, den Zwang, den sog. Feind plötzlich besonders sympathisch zu finden. Das wäre Heuchelei und wertlos. Was mit Liebe gemeint ist, steckt in einer weiteren Weisung in diesem Zusammenhang: „Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.“ (V. 31). Wir kennen dieses Gebot auch als „Goldene Regel“ in der Formulierung: Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu! Behandle den anderen so, wie du gerne behandelt werden möchtest.
So klar und einfach ist christliche Nächstenliebe. Man braucht, um sie verstehen zu können und zu leben, kein Theologiediplom, sondern einfach nur gesunden Menschenverstand, das Herz auf dem rechten Fleck und die nötige Portion Konsequenz. Aber wahrscheinlich wird es genau deshalb zugleich wieder schwer und kompliziert, weil es uns oft genau daran mangelt. Gott sei Dank kann man immer wieder neu damit anfangen.