Donnerstag, 19. Juli 2007

Du bist ja schon richtig klein geworden! (Mk 9, 30-37)

„Du bist ja schon richtig groß geworden!“ – es ist kaum zu zählen, wie oft ein Kind im Laufe seiner Kindheit einen solchen oder ähnlichen Satz zu hören bekommt. Dem Kind tut dieser Satz gut. Es möchte ja groß und erwachsen werden. Immer mehr allein und selbstständig können ist ein zentraler Aspekt in der Entwicklung eines Kindes – auch wenn es für die Eltern immer auch bedeutet, das Kind ein Stück loslassen zu müssen, damit es seine eigenen Erfahrungen macht und sein Selbstwertgefühl wächst.
„Du bist ja schon richtig klein geworden!“ – diese Aussage klingt in unseren Ohren wahrscheinlich sehr befremdlich. Kann das ein Zuspruch sein, der einen aufrichtet und gut dastehen lässt? Das Evangelium lässt uns in diese scheinbar paradoxe Richtung denken.
Die Jünger haben zum Thema die Frage, wer unter ihnen der Größte sei – das alte Spiel der Rangordnung. Besser dazustehen und mehr zu gelten als andere steckt als Instinkt in uns Menschen drin. Doch Jesus bestärkt seine Jünger keinesfalls darin, auch wenn dieses Denken „allzu menschlich“ ist. Er lehrt sie, die Kleinsten sein zu können, die Letzten: eben Dienerinnen und Diener.
Ahnen Sie, wo der Stachel sitzt und worin das Lob liegt, wenn jemand also zu einem Christen sagt: „Du bist ja schon richtig klein geworden!“? Du hast begriffen, wie ein Christ in der Nachfolge Jesu lebt und wie er zu seinen Mitmenschen steht und sich ihnen gegenüber verhält. Du kannst dich klein machen, um den anderen groß sein zu lassen. Du stehst so fest in dir selbst und in der Liebe Gottes, dass du um keinen Platz in einer Rangordnung kämpfen brauchst, sondern dem anderen den Vortritt lassen kannst. Du lebst nicht nach Instinkt, sondern nach bewusster Entscheidung der Nachfolge.
Du bist ja schon richtig klein geworden! – Hier geht es nicht um die Kleinheit eines zertretenen Selbstbewusstseins, im Gegenteil: es geht um wahre Größe, die in der Lage ist, von sich selbst absehen zu können. So ein Lob würde uns allen gut stehen, wenn wir es verdienten.